Wie Tag und Nacht…

Mein Ausflug in den Entwicklungsdienst war so ziemlich genau ein Jahr, von April 2009 bis Maerz 2010; als eine von etwa 4,000 deutschen Fachkraeften, ins Ausland geschickt im Auftrage Deutschlands, Kosten getragen vom deutschen Steuerzahler, und taetig in einem der 50 Entwicklungslaender dieser Erde, bin ich der ‚altruistischen‘ Aufgabe nachgegangen, einen wertvollen entwicklungspolitischen Beitrag zu Ugandas Entwicklung zu leisten und Uganda auf dem Weg zu einer zivilisierten (Kauf)Gesellschaft zu begleiten.

Nachdem in meinem Projekt so manches schiefgelaufen ist, was dazu fuehrte, dass ich vorzeitig abgezogen werden musste, hat meine Entsendeorganisation nun ‚keine Verwendung‘ mehr fuer mich, aber ich wollte noch etwas laenger bleiben. Also habe ich meine Person mit all meinen Qualifikationen hier auf den ugandischen Arbeitsmarkt geworfen, und nach einigen Bewerbungsgespraechen und ein paar Wochen Abwaegen, wo ich denn nun arbeiten moechte, mich fuer ein amerikanisches Unternehmen entschieden, welches sich nicht auf Entwicklungshilfe spezialisiert, sondern Zweigstellen in 146 (!) Laendern, entwickelten wie weniger entwickelten, auf diesem Erdball hat, und welches ueberhaupt nicht daran denkt, irgendeinen entwicklungspolitischen Beitrag zu leisten, sondern schlicht und ergreifend einfach nur Profit machen will.

Amerikaner seien bekannt fuer ‚Hire und Fire‘, so ein Kommentar eines EZ-Kollegen, der auch gerade einen neuen Job gesucht hatte; dies waere nichts fuer ihn. Entwicklungshilfe sei sicherer. Ha, ha – kann ich nur sagen…

Nun bin ich also in einem wirtschafts- und gewinnorientierten Unternehmen gelandet, arbeite in einem Team von ca. 35 Ugandern, die mir bereits innerhalb der ersten Tage ein voellig anderes Ugandabild vermittelt haben als ich in dem einen Jahr Entwicklungshilfe kennengelernt habe. Hatten wir uns ewig und drei Tage darueber beschwert, dass Ugander nicht pro-aktiv sind, so wuerde es mir jetzt wirklich schwer fallen, auch nur einen meiner 35 ugandischen Kollegen dieser Kategorie zuzuordnen. Gingen unsere Gespraeche mit EZ Kollegen oftmals darum, dass ein Ugander keinen Finger ruehrt, wenn es keine Allowances gibt; jetzt bin ich in einem Team, wo jeder Einzelne einen intrinsischen Antrieb zu haben scheint, und einfach nur dazulernen moechte, ohne fuers Dazulernen bezahlt zu werden.

Die Haelfte meiner neuen Kollegen besuchen irgendwelche Abendkurse, legen irgendwelche Pruefungen ab, und sind permanent am Weiterqualifizieren. Komme ich mit irgendeiner Idee oder Neuerungsvorschlag – ueberraschend fuer mich ist, dass ich diesen nicht langwierig irgendwie durchsetzen muss – umgekehrt, meine ugandischen Kollegen greifen diesen auf und entwickeln den weiter, und kommen mit Loesungsvorschlaegen, an welche selbst ich nicht gedacht habe.

Ich habe noch nie in meinem Leben in einem Team gearbeitet, welches so aufgeschlossen fuer Veraenderung/ Verbesserung ist; wo jeder mitdenkt und einen Beitrag leisten moechte; in einem Team, was wirklich ein Team ist. Wo nicht Fehler auf einen anderen abgeschoben werden, sondern jeder fuer die Fehler anderer Mitverantwortung uebernimmt.

Kollegen, die frueh um 8 Uhr (oder eher) auf Arbeit erscheinen, und 17 Uhr immer noch am PC sitzen, wenn ich mich verabschiede. Leute, die ihre Arbeit in kuerzester Zeit erledigen, Ergebnisse abliefern, und sich dann dem naechsten Job zuwenden. Leute, die sich mit Excel und Word teilweise besser auskennen als ich (und da gehoert schon was dazu!).

Diese Firma, so mag man jetzt vielleicht sagen, sei eine Ausnahme. Die Ugander wuerden ueberaus gut bezahlt werden, so koenne man gute Leute garantieren. Glaube ich nicht, so toll sind die Gehaelter nicht. In meiner ugandischen Partnerorganisationen, wo ich ein Jahr Entwicklungshilfe geleistet habe, waren die Leute nicht schlechter bezahlt, manche sogar viel, viel besser!

Was den Unterschied macht, ist, dass die Leute hier klare Vorgaben haben (Umsatzziele/ Targets), an welchen Bonuszahlungen dranhaengen. Wer gut arbeitet, verdient mehr. Eigentlich ganz einfach. Jeder einzelne Mitarbeiter wird vom Management wertgeschaetzt, und es gibt kein Gerede von irgendwelchen wertvollen Beitraegen zur Entwicklung Uganda’s, die man da leiste. Vierteljaehrlich muss jeder berichten, was sie/er geleistet und erreicht haben; und manchmal fliegt dann auch einer, wenn die privaten Interessen die Loyalitaet gegenueber der Firma zu sehr untergraben.

Es wird erwartet, dass jeder arbeitet. Das wird klar kommuniziert. Performance wird permanent gemessen, an Tafeln geschrieben, Vergleiche mit Vormonaten und Vorjahren gezogen; Transparenz und Abrechenbarkeit der eigenen Leistungen und Vergleich mit Kollegen. Jeder hat Zugang zu saemtlicher Information, wenn daran interessiert. Geheimnisse (ausser vielleicht dem Gehalt vom grossen Boss) gibt es keine. Mitdenken wird gefoerdert und belohnt; und die Ugander nutzen das und wissen es zu schaetzen.

Natuerlich spielt auch die Auswahl der Leute eine Rolle; da kann ich dem englischen Boss nur gratulieren, echt gutes Haendchen.

In dem Jahr Entwicklungshilfe hatte ich vorwiegend Ugander getroffen, die einem den Eindruck vermittelt haben, dass sie irgendwie staendig auf Hilfe angewiesen sind. Projekte, die nie genug Geld hatten und staendig mehr Geld brauchten. Wirklich rechnen konnte irgendwie niemand, zumindest nicht ‚offiziell‘. Egal, was erledigt werden sollte, ohne Druck und Nachfrage blieb vieles irgendwie immer unerledigt liegen. Ich war so oft im Buero, und alle anderen ‚ausgeflogen‘ – irgendwo unterwegs und mit privaten Dingen beschaeftigt. Private Geschaefte, Familie, Kinder – alles wichtiger als Arbeiten. Muede von den Forderungen der Entwicklungsdienste, und deren Wirkungsanalysen.

Es ist wie Tag und Nacht; ich bin dabei das andere Gesicht Ugandas in Sachen Arbeitsbereitschaft, Qualitaet und Arbeitserfuellung kennenzulernen. Ich habe den Eindruck, in einer Parallelwelt gelandet zu sein.

Die Ugander in meiner neuen Firma brauchen ganz sicher keine Entwicklungshilfe; sie brauchen mehr Firmen, mehr Arbeitsmoeglichkeiten. Viele der Kollegen arbeiten ein paar Jahre im Unternehmen, lernen so viel wie moeglich, und dann kuendigen sie, um mit all den Erfahrungen eine eigene Firma zu gruenden. Meine neuen Kollegen sind die Zukunft Ugandas, und ich bin soooooooo froh, dass ich diese Firma gewaehlt habe, und nicht noch einmal Entwicklungsdienst. Ein Angebot war da, als Finanzmanager Ostafrika, fuer eine grosse, bekannte deutsche Nichtregierungsorganisation. Klang nicht nur gut, war auch recht gut bezahlt; ich habe lange hin und her ueberlegt. Aber dann haette ich deutsche Vorgaben in Uganda und ein paar anderen Laendern umsetzen muessen. Vorgaben und Budgets von Leuten, die in einem fernen Land leben und entscheiden, was gut fuer Uganda ist. Wo es darauf ankommt, dass Mittel rechtzeitig abfliessen, und wo der taegliche Kampf darum geht, die Abrechnungen mit Deutschland so korrekt wie nur moeglich zu gestalten.

Rechtzeitiger Mittelabfluss, Ziel Nummer Eins…

Meine deutsche Organisation hatte die Zahlungen fuer unseren Nachwaechter uebernommen. Wir sind hierhergekommen, und der Vertrag mit der Security Group war bereits vorhanden und wir hatten diesen lediglich uebernommen. 480,000 UGX (ca. 160 EUR) fuer einen ausgebildeten Mann mit Gewehr, jede Nacht ab 19 Uhr.

Nun endet ja mein Arbeitsvertrag mit der deutschen Organisation, und damit auch die Subvention des Nachtwaechters. Inzwischen kennen wir uns ja auch etwas aus, und haben von Freunden gehoert, dass man auch eine Nachtwache fuer 250,000 UGX pro Monat haben kann. Wir haben die Firma angesprochen, und um einen ‚privaten‘ Vertrag gebeten und rechnen jetzt damit, dass sich unsere Kosten halbieren.

Was soll das Ganze? War das wirklich ‚Entwicklungshilfe‘, was ich das eine Jahr erlebt habe? Doppelte Preise fuer schlechtere Leistungen?