Meinungsfreiheit in der Entwicklungshilfe

Termite house

Auf der Ebene der Vereinten Nationen ist die Meinungsfreiheit in Art. 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte gewährleistet:
Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhängen und Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.

In Deutschland wird die Meinungsfreiheit durch Art. 5 Abs. 1, S. 1, 1. Hs. des Grundgesetzes (GG) gewährleistet. Artikel 5 (verkürzt)
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten (…) Eine Zensur findet nicht statt.

Und wie sieht das in der deutschen Entwicklungshilfe aus?

Laut meinem Vertrag muss ich mir bewusst sein, dass mein Verhalten in dienstlicher wie privater Hinsicht in besonderer Weise beobachtet und abweichend von europaeischen Gewohnheiten bewertet wird. Vor diesem Hintergrund beduerfen Veroeffentlichungen in Wort, Schrift, Bild in denen ich meine Zugehoerigkeit zur Organisation offenbare, der vorherigen Absprache bzw. Abstimmung.

Eigentlich eindeutig, denkt man sich so, nach dem ersten Lesen… Man darf im deutschsprachigen Raum ohne vorherige Genehmigung veroeffentlichen und seine Zugehoerigkeit offenbaren, wenn man sich sicher ist, dass das persoenliche und dienstliche Verhalten in Uganda von Ugandern nicht negativ bewertet werden kann und wird. Man darf einen Blog wie diesen haben, der die Identitaet nicht preisgibt. Lediglich Veroeffentlichungen, die dem Partner im Land in die Haende fallen koennten und somit die Gefahr besteht, dass man selbst bzw. die Entsendeorganisation damit negativ bewertet werden koennten, beduerfen einer vorherigen Abstimmung. So meine Interpretation.

Das wuerde auch Sinn machen und mit unseren europaeischen Meinungsaeusserungsgesetzen nicht in Konflikt stehen; aber meine deutsche Organisation scheint da anders zu denken. Fuer sie scheint dieses Verbot zu veroeffentlichen, fuer alles zu gelten, national, international, egal in welcher Sprache, und egal, ob ich meine Zugehoerigkeit zur Organisation offenbare oder nicht.

Ich habe kuerzlich einen kleinen netten Artikel in einer deutschen Zeitschrift veroeffentlicht. Nichts besonders, nicht einmal kritisch zu Entwicklungshilfe, wie manch anderer Artikel hier im Blog. Ein kleiner feiner Artikel ueber Ugander und wie sie taeglich ums Ueberleben kaempfen. Selbst, wenn dieser Artikel ins Englische uebersetzt werden wuerde und meine Partnerorganisation den Artikel lesen wuerde; sie wuerden den ganz sicher moegen. PR fuer Uganda habe ich mir gedacht, nicht genehmigungspflichtig.

Jedoch inzwischen scheint es mir, dass ich da irgendwie meinen Arbeitsvertrag falsch interpretiert haben muss, bzw. kennt meine Entsendeorganisation vielleicht das deutsche Grundgesetzt nicht wirklich? Oder dieses gilt nicht fuer deutsche Entwicklungshelfer in Uganda?

Nachdem ich fast erschossen wurde fuer die Veroeffentlichung von Bagatellen, habe ich nun den „offiziellen“ Weg eingeschlagen und offiziell um die Genehmigung eines Artikels gebeten.

Ich wollte einen Artikel schreiben; eine Analyse und Reflektion meiner eigenen Taetigkeit hier in Uganda, selbstverstaendlich eine „subjektive Darstellung“, was ich auch so gekennzeichnet haette bei einer Veroeffentlichung. Einen Artikel, der sich mit Rollenverstaendnis beschaeftigt, und dem Konflikt, als Beraterin in einem Entwicklungsland eingesetzt zu sein, wenn die Partnerorganisation eigentlich keinen Berater nachgefragt hat, sondern eigentlich nur Geld. Kein Wunder daher, dass Abstimmungen von Erwartungen, Feedback fuer Arbeitsleistungen, Ownership von Projekten nicht ganz so reibungslos sind, wie man es sich in einer idealen Welt so wuenschen wuerde.

Naiverweise dachte ich, dass so ein Artikel ganz gut reinpassen wuerde in die gegenwaertige Diskussion und Kritik an 50 Jahren Entwicklungshilfe, und da durchaus ein kleines Bausteinchen beitragen koennte; denn, so in meinem Antrag, wir sollten uns die Frage stellen, was wir hier machen, wer uns den Auftrag dazu gegeben hat, und wieviel Intervention eine Organisation/ ein Land verkraften kann.

Auch, so schrieb ich in meinen Antrag, wuerde ich denken, dass so ein Artikel vielleicht wichtig sein koennte fuer meine Kollegen Entwicklungshelfer in den vielen anderen Laendern, die mit Problemprojekten konfrontiert sind, und sich vielleicht nicht trauen, irgendetwas zu sagen, und denken, dass sie mit dem Flow mitschwimmen muessen. Auch, so dachte ich, koenne ein derartiger Artikel durchaus Mut geben trotz Probleme weiter zu machen, und vielleicht mal einen anderen Ansatz auszuprobieren.

Falsch gedacht!

Man koenne eine solche Veröffentlichung im Moment nicht unterstützen. Viele meiner genannten Kritikpunkte wuerde man anders sehen und es sei gegen Ende des Engagements eine umfangreiche Auswertung/ Dokumentation vorgesehen [was erst in ein paar Jahren sein wird].

Ich frage mich nun, wie diese Ablehnung meines vorgeschlagenen Artikels durch meine Entsendeorganisation mit freier, in Deutschland gesetzlich garantierter Meinungsaeusserung vereinbar ist. Wie, und ich bin da echt wirklich irritiert, will meine Entsendeorganisation das, mit meinem Verhalten in dienstlicher wie privater Hinsicht, welches [in Uganda] „in besonderer Weise beobachtet und abweichend von europaeischen Gewohnheiten bewertet wird“, begruenden? Oder, vielleicht verstehe ich meinen Vertrag voellig falsch, und diese Beobachtung des Verhaltens gilt insbesondere fuer Deutschland, und wird dann abweichend von europaeischen Gewohnheiten (und Gesetzen) bewertet?