Medizinische Versorgung in Uganda

Eigentlich waere ich heute in Deutschland, und das seit Ende Februar; wuerde endlich mal wieder gutes, deutsches, deftiges Essen geniessen und nicht beim Kochen die Haelfte der Zutaten weglassen muessen, weil ich die hier nicht zu kaufen kriege; meine abgetragenen Klammotten nach einem Jahr non-stop Tragen mit neuen ersetzen; und einfach mal geniessen, unbeachtet von anderen durch die Strassen zu laufen, ohne jedem Vorbeikommenden „hallo“ sagen zu muessen, dabei ununterbrochen zu laecheln und tausend mal um Entschuldigung bitten, dass man keinen Job im Schlepptau hat.

Anstelle des lang ersehnten und seit letztem Jahr geplanten Heimaturlaubs, kenne ich mich nun in Kampalas Krankenhaeusern ganz gut aus. Ich weiss jetzt, in welchem Krankenhaus EEG gemacht wird und dass dort die Maschinerie so um die 50 Jahre alt ist, ich kenne auch die Stelle, wo man einen CT Scan bekommt. Ich finde meinen Weg zu fast allen Krankenhaeusern, kenne deren Telefonnummern und Adressen, ohne auf Gelbe Seiten (die es hier sowieso nicht gibt) oder aufs Internet (wo sich nur vereinzelt mal eine Adresse hin verirrt) angewiesen zu sein.

Abgesehen davon, dass ich zu jeder Untersuchung eine andere Wegbeschreibung zu einem Krankenhaus brauche, und sicherstellen muss, dass der einzige Spezialist des Landes nicht gerade im Urlaub oder auf einer Konferenz ist, scheint es hier alles zu geben. Auch habe ich gelernt, dass ich immer genug Geld einstecken haben muss, um die medizinischen Leistungen sofort Cash bezahlen zu koennen, da Ugander kein Erbarmen kennen. Wird ein Patient eingeliefert, bewusstlost, bzw. kaum in der Lage fuer sich selbst zu reden, wird zwar die geforderte medizinische Leistung erbracht, dann wird aber der Patient gnadenlos auf eine Bank irgendwo im Hof abgesetzt, bis jemand von den Verwandten oder Bekannten vorbeikommt und die Rechnung bezahlt.

Alles in allem bekommt man hier schliesslich saemtliche medizinischen Leistungen (sofern man einigermassen bei Kasse ist), die wir auch in Deutschland erhalten wuerden. Es gibt Cardiologen, Traumalogen und alle anderen denkbaren Spezialaerzte. Wartezeiten gibt es keine, sofern das technische Geraet funktioniert und nicht gerade Stromausfall ist und auch der Spezialist im Lande. Ich habe insgesamt einen „gut aufgehobenen“ Eindruck, auch wenn es schon irritierend ist, mit einem schwerkranken Patienten auf dem Beifahrersitz von einem Krankenhaus zum anderen selbst fahren zu muessen.

Wieso ich mir diesen Stress aufgehalst habe anstelle in meinen wohlverdienten Heimaturlaub zu fahren?

Kuerzlich habe ich einen Artikel zum Thema Sicherheit in Uganda geschrieben und gefragt: „Was ist wahrscheinlicher, dass man in Uganda von einem Einbrecher getoetet wird oder vom eigenen Wachmann? Wieviele Todesfaelle gibt es jaehrlich durch Stromschlaege (im eigenen Haus) sowie durch heruntergefallene Stromleitungen?“ Dass wir selber davon betroffen werden, hatte ich zu diesem Zeitpunkt irgendwie ausgeschlossen. Solche Sachen passieren immer nur anderen, niemals einem selber. Oder?

Strom in Uganda!

Man nehme jemanden aus einem Dorf, der im Leben keine Steckdose gesehen hat und bilde diese Person als Elektriker in einer Berufsschule ohne Stromanschluss aus, anhand von Tafelbildern und ein paar jahrzentealten Textbuechern. Diese Person stelle man dann ein, um die elektrische Anlage im Buero zu verlegen, anzuschliessen und zu warten. Des weiteren nehme man (mangels Alternativen) die Elektrizitaet vom einzigen Werk in Uganda mit regelmaessigen Stromfinsternissen und da man seine 35 Firmencomputer nicht staendig an und ausschalten moechte und es sich nicht leisten kann, seine Mitarbeiter tagelang ohne Rechner am Arbeitsplatz rumsitzen zu lassen, installiere man sich seinen eigenen Stromgenerator, der sich automatisch anschaltet im Falle eines Stromausfalls. Diese ganze komplexe Technik verwaltet und verlegt bei jemandem, dem wir in Deutschland wahrscheinlich nicht einmal Kabelhalten anvertrauen wuerden.

Uganda hat 30 Millionen Einwohner, 95% davon leben nach wie vor im Dunkeln, also ohne Strom. Von den 30 Millionen sind ueber 50% Kinder unter 15 Jahren. Auf der anderen Seite entwickelt sich das Land rasend schnell. In nur 10 Jahren hat sich die Bevoelkerung in Kampala mehr als verdoppelt und die Anzahl der wohlhabenden Haushalte und Firmen vielleicht verzehnfacht. Der Nachwuchs an Handwerkern kann gar nicht so schnell ausgebildet werden, wie der Bedarf waechst und die Berufsschulen sind miserabel ausgestattet und die technischen Instruktoren von der Strasse geholt, weil man den staendig steigenden Schuelerzahlen nicht mehr Herre wird. Ausbildungskurse werden kuerzer und kuerzer und vielen Berufsschulen geht es nicht unbedingt um eine Ausgebildung der Studenten, sondern um hohe Schuelerzahlen und Einnahme von Schulgebuehren.

Steckdosen lose, offene Leitungen, Funken beim Stecker rausziehen. Es ist nur eine Frage des Zeit… und irgendjemanden erwischt es! Ich kenne nun das Gefuehl, wie es ist, wenn man ploetzlich einen Anruf bekommt: „I’m afraid but it seems your husband has been electrocuted.“

Der Chef meines Mannes hat seit drei Wochen keine Steckdose mehr selbst angefasst, und ruft nun immer irgendjemanden, wenn das Laptop ein- oder ausgeschaltet werden muss. Es muss fuer ihn ein ganz schoener Schock gewesen sein, meinen Mann unterm Schreibtisch zuckend daliegen zu sehen.

Dennoch… das Leben geht weiter. Mein Mann ist inzwischen wieder zu Hause und hat sogar letzte Woche seine Nase mal wieder auf Arbeit sehen lassen.

Wir warten jetzt, dass der Spezialist fuer Ultraschalluntersuchungen an Arterien von einer Konferenz zurueckkommt, um eine weitere Untersuchung abhaken zu koennen und dann wurde uns gesagt, dass es irgendwo ein Krankenhaus gibt, wo das EEG Geraet keine 50 Jahre alt ist; auch das werden wir im Laufe der naechsten Woche erledigen und dann muessen wir uns entscheiden, ob wir uns hier weiter dem aerztlichen Dienst anvertrauen oder doch lieber uns nach Deutschland verfluechten, zu weiteren medizinischen Untersuchungen.

Abliessend zu sagen ist, auch wenn wir persoenlich vielleicht etwas verwirrt sind, aber der medizinische Dienst meiner Firma war zutiefst beeindruckt. Von der Odysse von einem Krankenhaus zum anderen abgesehen, wurde hier alles auf die Beine gestellt, was man auch in Deutschland gemacht haette (und wahrscheinlich sogar ein bisschen mehr). Die Aerztin war erstaunt, was fuer Untersuchungen hier moeglich sind und von ihrer professionellen Sicht ist keine medizinische Notwendigkeit geboten, sich dem Stress eines Heimfluges auszusetzen. Und zu bemerken ist natuerlich auch, dass ich immer den Eindruck hatte, dass Aerzte in Uganda unheimlich gute Leute sind, denn sie sehen viele Patienten und koennen sich nicht immer auf medizinische Geraete verlassen. Ich bin keinem Arzt (egal ob Asiate, Europaer oder Afrikaner) uebern Weg gelaufen, wo ich das beklemmende Gefuehl hatte, am falschen Ort zu sein und die falsche Person zu treffen.