Wir leben immer noch in Uganda…

Posted: 10th Dezember 2010 by Bellusci in Daily Life/ Alltag
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Joseph Ntensibe

Freunde fragen an, warum es auf meinem Blog so leise geworden ist… So will ich also heute Abend mal wieder einen Artikel einstellen.

Waehrend es in Deutschland schneit und die Kaeltewelle eingebrochen ist, sitze ich wie immer halb nackt auf meiner Terasse im neuen Haus und bin froh, dass es endlich Abend ist und die Hitze vorbei.

Ich muss sagen, dass ich im Augenblick nicht wirklich weiss, was ich schreiben soll. Solange ich im Entwicklungsdient taetig war, hatte ich genug Themen, die ich hier im Blog diskutieren konnte. Seit Ende April bin ich da aber raus und in Uganda in der freien Wirtschaft taetig, weit weg von Entwicklungshilfe. Mein Leben findet sozusagen in der Parallelwelt zum Entwicklungsdienst statt. Und es ist wirklich eine ‚Parallelwelt‘!

Motivierte und mitdenkende Mitarbeiter, Gewinnorientierung, funktionierende Computer und Strukturen, strategisches Management durch das Management, Uganda’s wachsende Mittelschicht…

Taga

Uganda ist am Wachsen, fast jedes Jahr verdoppelt sich die Zahl der Firmen, neue Buerohaeuser schiessen aus dem Boden, der Verkehr ist am Kollapsen, weil es inzwischen zu viele Autos fuer die wenigen Strassen gibt.

Auch, wenn ich so manche Story aus der Wirtschaft erzaehlen koennte und es da vielleicht so das eine oder andere gibt, ueber was man so Rumlaestern koennte, moechte und muss ich vorsichtig sein. Bereits dieser grossartige ‚Entwicklungsdienst‘ hat mir mit seinem Rausschmiss gezeigt, dass man es mit Transparenz nicht wirklich ernst nimmt, aber jetzt habe ich es mit internationalen, auf Maximalgewinn orientierten Konglomeraten zu tun, da trete ich mal lieber etwas leiser.

Im Endeffekt funktionieren aber die Unternehmen hier mehr oder weniger wie jedes andere Unternehmen in Europa. Der einzige Unterschied ist, dass diese Unternehmen halt im afrikanischen Markt taetig sind und nicht in Europa, und das die Kollegen, mit denen man zusammenarbeiten, halt keine Europaer, sondern Afrikaner. Aber ansonsten ist alles sehr aehnlich, nur dass man in Uganda mit allem etwas mehr Geld verdienen kann und egal, fuer welche Branche man Interesse zeigt, man da wahrscheinlich so ziemlich konkurrenzlos sein gutes Geld verdienen kann.

Wenn in Europa in einem kleinen oder mittelstaendigen Unternehmen ein zusaetzlicher Mitarbeiter gebraucht wird, ueberlegt sich das die Geschaeftsfuehrung 20 mal, bevor sie diese Entscheidung trifft. Da sind nicht nur die enorm hohen Lohn- und Lohnnebenkosten, sondern auch Kuendigungsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz, und was weiss ich noch was fuer ein anderes Gesetz.

Hier in Uganda ist das alles wesentlich einfacher. Da gibt es diese ganzen Arbeitnehmerschutzgesetze nicht und Lohnkosten spielen nicht wirklich eine Rolle. Man kann einen hochqualifizierten Mitarbeiter fuer 600,000 Ugandische Shilling einstellen, was umgerechnet 200 EUR sind. Die Leute stehen Schlange, und eine falsche Personalentscheidung bedeutet fuer die Firma keinen wirklichen Verlust und falls es mit dem neuen Mitarbeiter doch nicht klappt, dann kann man ihn auch ganz schnell und einfach wieder rauschmeissen.

Auf der anderen Seite sind die Einnahmen, und zumindest fuer hochwertige Leistungen, sind diese mit europaeischen Einnahmen durchaus vergleichbar. Falls ich als Unternehmen in Europa ein Produkt fuer die Summe X verkaufe, kann ich fast den selben Preis in Uganda erzielen. Das heisst, wenn ich mein Unternehmen einigermassen professionell aufstelle, kann ich aehnliche Einnahmen wie in Europa einfahren, bei Loehnen, die nur ein Bruchteil sind, d.h. meine Gewinnspannen sind wesentlich entspannter als in Europa und ich muss mir nicht viel Muehe mit einem guten Management geben oder versuchen irgendwie effektiv zu sein, weil ich immer noch genug Geld einspiele. Und mit den geringen Lohnkosten kann ich fuenf Leute einstellen, anstelle von nur einem und fuenfmal so schnell wachsen, wenn ich mich nicht zu dumm anstelle.

Wir sind daher am Firmengruenden in Uganda und wollen uns diese grossartige Chance nicht entgehen lassen; endlich mal am richtigen Ort und zur richtigen Zeit da zu sein! Da ich aber nun meinen Blog anonym habe und auch anonym lassen moechte, kann ich hier an dieser Stelle leider nicht viel mehr von unserer geplanten Firmengruendung veroeffentlichen; aber diese bereitet natuerlich eine jede Menge Arbeit, und daher ist es so still auf meinem Blog geworden. Entschuldigung!

Und jetzt noch ein kurzer Themawechsel zu afrikanischer Kunst: Wir haben kuerzlich eine Ausstellung ugandischer moderner Kunst besucht und ein paar Bilder geknipst, die ich hier in diesen Artikel einfuege. Ich muss zugeben, dass wir total ueberrascht waren ueber die hohe Qualitaet der Arbeiten.

Zugegeben, bei den meisten Werken kann man den Einfluss des Lehrers recht deutlich sehen. So der Maler, der 8 Jahre in St. Petersburg studiert hat und russische Ikonenmalerei mit afrikanischen Motiven verbindet. Oder der Kuenstler, der einen italienischen Lehrer hatte, oder einen Franzosen… Dennoch ist die Kunst echt beeindruckend und ganz sicherlich einmalig. Afrikanische Malerei mit franzoesischem Einfluss, oder russischem, oder italienischen… Sehr interessant!

Leider besitzt Uganda kein eigenes Kunstmuseum und daher sind solche Ausstellungen sehr, sehr selten. Die meisten Kuenstler arbeiten irgendwo in ihren klitzekleinen Workshops, wo man nur duch absoluten Zufall hinkommt. Die Makerere Universitaet soll mal eine ausgezeichnete Sammlung Ugandischer Kunst besessen haben, aber die Werke wurden verkauft, als Makerere serioese Geldprobleme hatte und nun befinden sich die Sachen im Ausland. Insgesamt besteht die Mehrheit der Kunstkaeufer aus Auslaendern, was heisst, dass so gut wie keine eigene Kunst im eigenen Land zu finden ist. Kunst wird produziert, dann von Auslaendern gekauft und exportiert.

Es gibt viel zu tun in Uganda und wie immer, ich bin wirklich froh, hier zu sein und mittendrin! Ich entschuldige mich fuer die lange Sendepause und verspreche, dass ich mir groesste Muehe geben werde, wieder oefter zu veroeffentlichen.

  1. Ali sagt:

    Trotz der Notwendigkeit des Bedeckthaltens war das wieder ein lesenswerter Artikel. Und ich bin dann gleich wieder ganz neidisch auf dich, dass du gerade in Afrika bist. 🙂