Szene aus dem Film

Schlafkrankheit heißt Ulrich Köhlers neuer Film, der uns mitnimmt in eine andere Welt: nach Schwarzafrika, in den Dschungel von Kamerun, in das Leben eines Arztes und Entwicklungshelfers. Es ist eine erhellende Expedition, ein Blick auf unseren Blick auf einen fremden Kontinent, ein Sprung in den postkolonialen Schlamassel und – zumindest gegen Ende – auch eine psychische Reise in das innere Ausland, wie Freud das Unbewusste einmal genannt hat. (Zeit, 22.6.2011, Katja Nicodemus)

Die Schlafkrankheit ist eine in Afrika verbreitete tropische Infektion, die von der Tsetse-Fliege übertragen wird. Regisseur Ulrich Köhler benutzt diesen Begriff aber auch als Bezeichnung für den Gemütszustand der Hauptfigur seines Filmes und vielleicht auch als Metapher für die erfolglosen europäischen Hilfsprojekte. (Festival des deutschen Films)

Menschen auf der Suche nach sich selbst, das war schon in den ersten Filmen von Ulrich Köhler das zentrale Thema. In seinem neusten Film „Schlafkrankheit“ geht er noch weiter und zeigt die Verlorenheit der Europäer in Afrika (Arte)

Der Film ist im Juni in Ludwigshafen mit dem Filmkunstpreis des Festivals des deutschen Films ausgezeichnet worden und setzte sich im Wettbewerb gegen zehn andere Filme durch. (NTV) Des weiteren erhielt der Film im Februar 2011 den Regiepreis der Internationalen Filmfestspiele von Berlin.

„Schlafkrankheit“ ist am 24.6.2011 in den deutschen Kinos angelaufen, nicht gerade ein Kassenerfolg – unter $100,000 in den ersten drei Wochen..

… was zum Ausdruck bringt, dass die Entwicklungshilfeproblematik für die meisten Menschen zu weit weg ist, und außer den paar Leuten, die persönlich die Hilflosigkeit von Entwicklungshilfeprojekten am eigenen Leib erlebt haben und ihre eigene Machtlosigkeit, etwas gegen die massive Geldverschwendung und Korruption zu unternehmen, die in (fast) allen Entwicklungshilfeprojekten an der Tagesordnung ist, findet man leider im Internet (zu) viel Kritik von Ignoranten wie beispielsweise: Ein Film zum Gähnen in welchem Carolin Ströbele schreibt:

„Zwei Europäer verlieren sich in Afrika. Der Wettbewerbsbeitrag „Schlafkrankheit“ von Ulrich Köhler ist eine müde Veranstaltung ohne Dramaturgie. Es gibt zwei große Gefahren für einen aufstrebenden Regisseur: Dass er sich mit seiner ersten Großproduktion überhebt. Und dass er seine eigene Geschichte verfilmt.“

Was ist denn daran falsch, seine eigene Geschichte zu verfilmen?

So wird dieser Film wohl leider nur bei Entwicklungshelfern auf großes Interesse treffen, denn nimmt er ein Thema auf, welches meistens nur unter vorgehaltener Hand und “unter Freunden” diskutiert wird und wo sich die meisten nicht trauen, laut auszusprechen, was alle denken. Man verliert seinen Job schnell in diesem System, hängt man sich zu sehr aus dem Fenster, und riskiert damit auch seine zukünftige Karriere und guten Ruf.

Deutschland hat sich verpflichtet mindestens 0,51 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Entwicklungshilfe zu verwenden, was jährlich sagenhafte 12,4 Milliarden Dollar sind!

2008 hatte Deutschland nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Bildungsausgaben in einer Höhe von rund 92,6 Milliarden Euro (gerade mal das 7,5-fache!). Mit diesen Geldern werden ALLE Schulen in Deutschland finanziert, die Universitäten, und Stipendien, wie auch Forschung – und dies bringt Deutschland in das obere Drittel der Welt – zumindest bildungsmäßig: Pisa Studie 2009. Wirtschaftlich ist Deutschland auf Platz Drei.

Wenn Deutschland 12,4 Milliarden Dollar in Entwicklungshilfe steckt, die USA 28,7 Milliarden Dollar, usw. – so gehen locker 100 Milliarden in Entwicklungshilfe jedes Jahr, und das seit 50 Jahren!

Danke, Ulrich Köhler! Danke für den Mut, solch ein brisantes, politisches Thema aufzugreifen, und sich der unvermeidlichen negativen Kritik zu stellen… Ich wünsche, es würden mehr Menschen diesen Mut haben, auszusprechen, was in Afrika tatsächlich passiert, auch ich… so sollte ich vielleicht meine Klage gegen die Entsendeorganisation veröffentlichen, die mich erst nach Uganda gelockt hatte und als ich dann aber zu unangenehm wurde, mich über Nacht aus dem Projekt entlassen hat… ohne jeglichen rechtlichen Schutz!

Mein Rechtsanwalts hat mir nach dem Prozess per Email folgendes geschrieben: “…von dem Termin beim Landesarbeitsgericht am heutigen Tage gibt es leider nichts Gutes zu berichten. Das Landesarbeitsgericht besteht aus einem Berufsrichter (dem Vorsitzenden) und zwei Beisitzern (Laien). Der Vorsitzende war ein älterer Herr, nach meiner Einschätzung kurz vor der Pensionierung. Wir haben ja im vorliegenden Fall das Problem, dass man an sich jemanden haben müsste, der auch bereit ist, neue Wege zu gehen und neu über Probleme nachzudenken. Das war bei dem Richter erkennbar nicht der Fall, da es für ihn ausreichend ist, wenn das Bundesarbeitsgericht was vor 34 Jahren entschieden hat…. In der Sache hat das Gericht sich nahezu vollständig den Ausführungen der Gegenseite angeschlossen, und sogar tendenziell dahingend verstiegen, dass es ein berechtigtes Interesse der Entwicklungshilfeorganisation sei, dass nicht irgendein Entwicklungshelfer in puncto Korruption „zu viel Staub aufwirbele“ (sinngemäß).”

Es sei ein Einzelfall, so die Urteilsbegründung, und keine Grundsatzenscheidung, daher nichts fürs Verfassungsgericht und weitere Instanzen gäbe es daher keine zu begehen…

Es brennt mir in den Fingern, darüber einen Artikel in meinem Blog zu schreiben und auch die Urteile veröffentlichen – ich trau’ mich aber nicht. Daher Danke, Ulrich Köhler – vielleicht hilft mir dieser Film in Zukunft etwas mutiger zu sein! Jetzt muss ich es nur noch schaffen, den Film auch zu sehen, denn in England läuft er noch nicht in den Kinos.

Ihre Bellusci… eine weitere „frustrierte“ Entwicklungshelferin.

  1. Ali sagt:

    Was spräche denn gegen eine Veröffentlichung des Urteils? Wenn du davor Angst hast, dass sich dein früherer Arbeitgeber wegen Herabsetzung (noch so was, wofür ich kein Verständnise habe) wehren könnte, dann kannst du die betreffenden Namen auch schwärzen.

    Du kannst dich natürlich auch mal bei einem Anwalt beraten lassen, wenn du zu viel Schiss hast. Ich würde mich aber schon freuen, wenn ich das Urteil lesen könnte.

  2. Bellusci sagt:

    Es ist mein Anwalt, der mir abraet…

  3. zoa sagt:

    Hallo Bellusci

    erst heute habe ich den Blog entdeckt und stöbere nun schon seit ca 3 Stunden hier rum. Zunächst ein Lob, denn dein Blog ist gut zu lesen und auch informativ.
    Ich beschäftige mich seit einiger Zeit ebenfalls mit EZ, verfüge allerdings nur über Halbwissen, da ich weder in der Hinsicht studiert habe, noch in der EZ tätig war. Ich persönlich kann mich (noch) nicht entscheiden, ob EH gut oder schlecht ist. Ich sehe auf der einen Seite Entwicklung aber auch viel verschwendetes Geld in dunkle Kanäle sickern und dies hat m. M. nach nicht nur etwas mit der nicht genügend erbrachten bzw. gewollten Kontrolle seitens der Geberländer zu tun, sondern eben auch dem Überfluss, in dem die Expats leben, und natürlich auch mit den ganzen (Reise-)Zulagen der inländischen großen (halb-)staatlichen Organisationen. Es wird Geld „verballert“ ohne das wirklich Entwicklung geschieht. So scheint mir es zumindest oft,
    EP ist ein großes schwieriges Thema, da es auch, seitens der Regierung, Interessenpolitik ist.
    Mir scheint es wichtig, diese Thematik unter der dt. Bevölkerung öffentlicher zu machen, sodass der Einzelne mehr darüber Bescheid weiß und dem gegenüber kritisch steht. Mehr Transparenz auf allen Ebenen.
    Deshalb finde ich deinen Blog gut, da es nicht viele gibt, die sich halböffentlich zu dieser Thematik kritisch äußern. Weiter so.. 😉

  4. kibobo sagt:

    „Ich persönlich kann mich (noch) nicht entscheiden, ob EH gut oder schlecht ist.“

    Ich glaube nicht, dass man diese Frage so generell beantworten kann.

    Meiner Ansicht nach liegt die Antwort darin WELCHE Entwicklungshilfe gut oder schlecht ist. Und selbst die Frage wird garantiert nicht in jedem Dorf gleich zu beantworten sein.

    Meine persönliche Meinung ist die, dass Entwicklungshilfe dann hilft, wenn die Leute selber aktiv (geworden) sind. Wenn also nicht jemand von aussen kommt und denkt die könnten das und das gebrauchen, sondern wenn, in unserem Fall einer oder mehrere Ugander sagen: wir brauchen xy und anzufangen zu überlegen wie sie dieses ziel erreichen können. und wenn sie zum erreichen dieses ziels hilfe brauchen, dann werden sie sich schon melden und sagen WAS GENAU sie dazu brauchen.

    Dieses System funktioniert bei möglichst rein ugandischen Hilfswerken (ich könnte dir von zweien die ich kenne die Kontaktpersonen vermitteln).
    Und wenn du ein bekanntes Internationales Beispiel wissen willst: Das Rote Kreuz. Das System des Roten Kreuzes ist es, in jedem Land eine eigene Rot-Kreuz-Gesellschaft zu haben. Und wenn diese Nationale Rotkreuz-Gesellschaft etwas braucht, z.B. ein Spezialist für X oder Geld für Y dann melden sie dies an das Sekretariat (IFRC) und das Sekretariat schaut dann wie man dieser Anfrage gerecht werden kann. Ungefragte Hilfe gibt es dabei selten.
    Der Nachteil beim Roten Kreuz ist auf der internationalen Ebene, dass es einen sehr grossen administrativen, organisationspolitischen und organisationsentwicklungsaufwand betreibt. aber soviel ich hinein gesehen habe hat es sich gelohnt.

  5. zoa sagt:

    Hallo kibobo

    natürlich kann man das nicht generell nicht so beantworten, ich schrieb ja auch „ich persönlich..“
    Damit wollte ich eher zum Ausdruck bringen, dass ich manchmal das Gefühl habe, dass eben dt. EP, weil es eben auch Interessenpolitik ist, erfolglos ist (zum Teil, wollen es ja nicht generalisieren 😉 ). Denn mit den Geldern wird ja gezeigt, hier ist unser Geld, wir machen jetzt gemeinsam was draus. Ob das jetzt beide Parteien wirklich wollen oder nur eine und der anderen ist es egal,weiß ich nicht. Ich denke, dass auf nationaler Ebene mit der Länder- und Kommunalebene sowie auch den großen und weniger großen NROs besser koordiniert werden muss. Sodass keine Doppelhiilfe an gleicher Stelle geschieht und teilweise man gar nicht weiß wohin mit dem Geld. Denn wenn das diesjährige Geld nicht komplett verbraucht wird, muss man das trotzdem verbraten, sonst steht nächstes Jahr weniger Geld zur Verfügung.

    Auch ich bin der Meinung, dass Hilfe zur Selbsthilfe Sinn macht. Denn immer nur nehmen ohne was selber machen zu müssen, ist natürlich nicht sinnvoll. Da wartet man dann ab, bis die nächste Kohle geliefert kommt. Einer wirds schon richten, war ja bis jetzt immer so. Deshalb finde ich , muss vielleicht die dt. EP besser koordiniert werden und strategisch in einigen wenigen Ländern erfolgen. Und natürlich Rechenschaft ablegen: Buch führen über die Projekte, Transparenz schaffen. Denn Transparenz als nicht zur EZ zugehörige Person ist schwer ersichtlich und da fängts dann eben auch an, Sachen verschleiern zu können.