Entwicklungshilfe oder Neokolonialismus?

Darf man das Wort Neokolonialismus im Zusammenhang mit Entwicklungshilfe ueberhaupt in den Mund nehmen? Ist das erlaubt? Was ist der richtige, politisch korrekte Begriff, um den Machtkampf der entwickelten Laender um Ressourcen zu beschreiben? Friedenssicherung? Armutsbekaempfung?

Bis in die 60er Jahre war alles einfach und uebersichtlich. England, Spanien, Deutschland, Frankreich und Portugal hatten die Welt untereinander aufgeteilt, eine Basic-Infrastruktur in ihren Kolonien entwickelt, um dann die Ressourcen zum naechsten Hafen transportieren zu koennen. Es gab auch Investitionen in Bildung und Medizin, denn man brauchte ausgebildete Arbeiter, und gesund sollten diese natuerlich auch sein und bleiben. All das macht aber auch Entwicklungshilfe heute: es wird vor allem in Bildung und Medizin investiert, HIV/Aids wird bekaempft, Infrastruktur entwickelt, noch ein bischen Friedenssicherung und Good Governance – aber irgendwelche wirtschaftliche Interessen werden vehement abgestritten.

Denn Kolonialismus sei seit mehr als 50 Jahren abgeschafft; mit kolonialen Methoden, so die oeffentliche Meinung, wurden Afrika, Asien und Suedamerka unterdrueckt und ausgebeutet. War es frueher aber nur ein Land, uebersichtlich fuer alle Beteiligten, welches in das Wohlergehen eines anderen Landes eingriff, duerfen heute, in unserer globalen Welt, nun alle mitmachen. Kein Land hat mehr das Monopol ueber andere, alle leisten sie nun „Entwicklungshilfe“, selbst China und Indien, viele Jahre selbst Kolonien, mischen nun mit im Geschaeft um Rostoffe, vor allem Oel, das schwarze Gold. Daran hat sich nichts geaendert, an Oel sind immer noch alle interessiert, auch wenn alle abstreiten, dass dies das vorrangige Motiv sei.

Unser deutscher Botschafter hat es kuerzlich in die Schlagzeiten der ugandischen Presse geschafft, und damit sogar auf einen zwei Seiten Artikel im Spiegel (Der Spiegel 30/2010: Um Mitternacht im Palast). Buchholz, ein altgedienter Afrika-Fachmann des Auswärtigen Amtes, hat einer deutschen Firma zu einem Millionenauftrag in Uganda (64 Mio. EUR) verholfen und dabei die Kollegen aus London und Washington ausgestochen. Ein schoener, fetter Auftrag fuer eine deutsche Firma sowie gleichzeitig ein netter Wettbewerbsvorteil gegenueber all anderen Geberlaendern.

Und im Sudan gibt es ein Referendum über die Abspaltung des Südsudan, das im kommenden Jahr bevorsteht; und die Deutschen sind natuerlich mit dabei. Die GTZ hat nicht nur Straßen gebaut, die den Südsudan an seine südlichen Nachbarstaaten anbinden (Kenya und Uganda) und damit die Trennung vom Norden erleichtert. Sie führt zudem seit dem Jahr 2007 ein „Programm zur Unterstützung des Staatsaufbaus“ durch. Das hat ganz sicher nichts mit Öl im Südsudan zu tun, wie manch boese Zunge behauptet, beispielsweise der Blogbeitrag von Dailyrace vom 3. März 2010. Deutschland, erst seit 20 Jahren wiedervereinigt, kann doch nicht die Abspaltung einer Region in einem anderen Land massiv vorantreiben, nur wegen ein paar Oelressourcen.

Es gibt aber sogar Leute, die meinen, dass wegen dem Oel der gesamte Darfur Konflikt inszeniert wurde. Humanitäre Katastrophe oder Ölinteressen? – Kleines Sudan-Dossier, 8. Juni 2010:
Im Vorfeld des Bundeswehr-Einsatzes in Sudan wurde eine Menschenrechtskatastrophe in der sudanesischen Region Darfur hochstilisiert. Der Kölner Wissenschaftler und Sudan-Kenner Stefan Kröpelin vertritt die Auffassung, dass die Menschenrechtssituation in Sudan nicht besser und nicht schlimmer ist als in jedem anderen afrikanischen Land. Auch offizielle Stellen würden das unter der Hand bestätigen. Doch seit man am Erdöl interessiert sei, sei die humanitäre Katastrophe für den Westen plötzlich von Interesse.

Die Rechtsabteilung des Max Planck Instituts hat schon vor einiger Zeit die Verfassung fuer den unabhaengigen Suedsudan geschrieben. Seit laengerem planen die Deutschen auch eine Eisenbahnlinie durch den Suedsudan um das Oel nach Kenya zu transportieren. Dieser Plan wurde scheinbar verworfen. Der neueste Plan sieht vor, die Eisenbahnstrecke von Uganda an die kenyanische Kueste wieder aufzubauen. Uganda hat hierfuer letztes Jahr bereits ein MoU (Memorandum of Understanding) mit der deutschen Regierung unterschrieben.

Oel gibt es nicht nur im Suedsudan, sondern auch in Uganda. Damit dieses und womoeglich noch weitere MoUs und Abkommen tatsaechlich realisiert werden koennen, bedarf es, dass die jetzige Regierung, also Musevini, an der Macht bleibt. Moeglicherweise steht der von unserem Botschafter eingefaedelte Deal zur Bereitstellung der Technologie fuer die Waehlerregistrierung damit im Zusammenhang?

Alles nur Spekulationen? Wahrscheinlich sehe ich das alles falsch und was ich hier beobachte, ist in Wirklichkeit nur ernstgemeinte Entwicklungshilfe, total altruistisch von Deutschland. Und unser Botschafter ist nur uebers Ziel hinausgeschossen. Alle anderen Meinungen sind nur Konspirationstheorien. Denn die vereinigte entwickelte Welt, hier am Beispiel Deutschlands, will doch nur dem Sudan zu einer vernuenftigen Eisenbahnlinie und ein paar Strassen verhelfen, damit endlich der oeffentliche Transport verbessert wird und Gueter transportiert werden koennen; und IT Technologie wird in Uganda nur entwickelt, damit es endlich eine vernuenftige Waehlerregistrierung gibt und die Ugander zu Ausweisen kommen. Gibt es da Zweifel? Wer etwas anderes behauptet, muss sich irren!

Mehr Artikel zum Thema:
Eisenbahn durch die Hölle Der Spiegel, 45/2004
Ein deutscher Unternehmer will mehr als 4000 Kilometer Bahnlinie durch den südlichen Sudan bauen. Es wäre das größte derartige Projekt der Welt – in einem verwüsteten Land. Es geht um Gold, Öl und einen neuen Staat „made in Germany“.

Das Spiel mit der Weltöffentlichkeit AG Friedensforschung and der Uni Kassel, 2006, STEFAN KRÖPELIN
In Konkurrenz mit dem neuen »Global Player« China zielt die Strategie der gegenwärtigen US-Regierung auf den Zugang zu den afrikanischen Ölreserven. Im Sudan wurden hierfür die durch Bevölkerungswachstum und Unabhängigkeitsbestrebungen eskalierten Regionalkonflikte in Darfur instrumentalisiert. Die in den Medien sträflich einseitig dargestellte humanitäre Krise scheint dabei als Vorwand für militärische Interventionen benutzt zu werden, die – egal unter welcher Ägide – das bereits eingetretene Debakel verschlimmern, die Region weiter destabilisieren und wirkliche Hilfe für die leidende Bevölkerung behindern.

Bundesregierung will weiteren Bundeswehr-Einsatz im erdölreichen Sudan NGO Online, 16.9.2008
Die Bundesregierung plant eine weitere Beteiligung der Bundeswehr an den internationalen Sudan-Missionen UNAMID und UNMIS. Hier gehe es um eine weitere „Friedenskonsolidierung“ im Sudan, sagte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am Dienstag (16. September) im Bundestag in Berlin bei der ersten Beratung der neuen Bundeswehrmandate.

Wahlen im Sudan NGO Online, 16.4.2010
Den USA und Deutschland gehe es im Sudan insbesondere darum, in Konkurrenz zu China Zugriff auf die Rohstoffe des Landes zu bekommen. Wie so oft geht es dabei insbesondere um einen möglichst exklusiven Zugriff auf Erdölvorkommen. Daher drängen die USA, Deutschland und andere europäische Staaten auf eine Teilung des Landes.