Kalt, nass und windig… englisch!

Ich sitze in einem Bed & Breakfast in einer englischen Seaside Town bei miserablem englischen Wetter (Wind, Nieselregen, kalt!) im Bett, eingelullt unter meiner warmen Bettdecke und den Laptop auf dem Schoss, und frage mich, was zum Teufel mich getrieben hat, das schoene, gruene und sonnige Uganda zu verlassen.

Ich habe, bevor ich nach Uganda zum Arbeiten ausgeflogen bin, 5 Jahre an der englischen Suedkueste gelebt, in einer anderen Seaside Town, etwa 150 km weiter westlich. Diese Stadt hier, wo ich heute bin, ist etwas kleiner, aber kommt mir vor wie ein Spiegelbild meiner alten Wahlwohnstaette – Seepromenade, halbkaputte Piers, zubetonnierte Strassen mit engen Wohnhaeusern bebaut, und die Geschaefte sind auch dieselben: Tesco, H&M, McDonalds und all die anderen bekannten Namen.

Ich habe den Eindruck, dass ich jetzt eigentlich wieder dort zurueck bin mich im Zirkel bewegt habe, denn alles hier sieht so verdammt aehnlich aus.

Schoen war gestern meine Strandwanderung, trotz heftigen Wind und Nieselregen; denn das ist etwas, was mir in Uganda endlos gefehlt und dazu gefuehrt hat, dass ich so um die 15 kg zugenommen habe – Bewegung. In Uganda ist es schwer, einfach so spazieren zu gehen, denn Ugander leben auf den Strassen – es gibt keinen Grund, sich in geheizten Wohnhaeuser zu verziehen, denn das Wetter ist immer fantastisch! Dann kommt hinzu, dass wir Weisse natuerlich auffallen und Leute uns anfassen und mit uns reden wollen, so ist man in Uganda keine einzige Minute privat, sobald man das eigene Haus verlaesst. Und unter solchen Umstaenden macht mir Spazierengehen irgendwie keinen Spass, zumal es da auch meistens ueber 30 Grad im Schatten sind; und so laesst man es sein und sitzt zu Hause rum und nimmt bestaendig zu.

Das ist sicherlich eines der Dinge, die ich jetzt in England ausgiebig geniesen werde: wandern und spazieren, trotz Mistwetter!

Gewoehnungsbeduerftig fuer mich ist (bitte nicht lachen!), dass man nirgendwo Polizisten oder Securityguards sieht. Ich habe mich inzwischen in Uganda so an die hunderte, schwer mit Kalaschnikow bewaffneten Guards gewoehnt, dass ich mich hier in den letzten Tagen irgendwie nicht genug geschuetzt gefuehlt habe.

Wenn ich beispielsweise an einen Bankautomaten gegangen bin, die hier natuerlich wie ueberall in Europa offen an der Strasse aussen den Banken angebracht sind, und nicht in geschlossenen und schwer bewaffneten Raeumen, habe ich mich zig-mal umgeschaut, bevor ich mir getraut habe, meine Bankkarte zu ziehen und Geld abzuheben. Paranoid!

Besonders ins Auge springt mir hier, dass jeder Quadratzentimeter zubenotiert ist; nirgendswo hat man Platz gelassen fuer Baeume oder Begruenung. Das ist mir in meinem bisherigen (vor Uganda) Leben nie aufgefallen. Und ueberall Verbotsschilder, egal wohin man seinen Blick wendet. Mach’ dies nicht, mach’ jenes nicht…

Nun wird sich vielleicht so manch’ einer meiner Stammleser fragen, warum ich hier bin. Naja… Uganda ist nicht meine Heimat, England zwar auch nicht, aber mein Mann ist Englaender und Deutschland ist nicht so weit weg.

Uganda war fuer zwei Jahre geplant und diese sind jetzt einfach mal rum. Wir hatten lange hin und her ueberlegt, uns dort niederzulassen und vielleicht eine Firma zu gruenden, aber es standen ein paar Dinge im Wege.

Erstens hat Uganda unheimlich restriktive Bestimmungen, Auslaendern Arbeitsgenehmigungen zu erteilen. Diese kosten ein Vermoegen (1,500 US$ pro Jahr) und dann muss man oftmals auch noch zusaetzlich schmieren, um durch diesen Prozess ueberhaupt durchzukommen.

Viele Auslaender loesen das Dilemma, indem sie alle drei Monate mal nach Tansania oder Ruanda fahren und dann nach ein paar Tagen wieder einreisen mit einem neuen Touristenvisa fuer drei Monate; das ist aber schlecht moeglich, wenn man plant, da eine eigene Firma aufzubauen und ein Gewerbe zu registrieren. In solchen Faellen sollte man das dann doch schon offiziell machen.

Bei Firmengrundeungen erwartet auch Uganda, dass man als Investor kommt und das dafuer noetige Kleingeld sind 100,000 US$, welche man natuerlich auch nachweisen muss.

Selbst wenn wir diese 100,000 US$ gehabt haetten, besteht dann aber das Risiko, dass man sich mit den falschen Ugandern verbindet (denn eine Firma muss eine wenigstens 50% ugandische Beteiligung aufweisen) und dann hat man seine 100,000 US$ schneller los, als man eins, zwei, drei sagen kann.

OK, falls wir all diese Huerden geschafft haetten (wir haben das aber nicht einmal versucht, muss ich zugeben), dann koennten wir nach 10 Jahren permanenten Wohnsitz in Uganda und natuerlich der Zahlung von 8 mal 1,500 US$ pro Person und pro Jahr (also 3,000 US$ fuer uns beide) ugandische Residenz beantragen, und haetten zumindest diese Sorge und Ausgabe los – in 8 Jahren!

Falls uns nicht bereits diese Restriktionen abgeschreckt haetten und wir uns dennoch entschieden haetten, in Uganda eine Firma zu gruenden, dann haetten wir uns auch emotional darauf einstellen muessen, uns mit der Korruption im Land irgendwie zu arrangieren, d.h. Geschaeftspartnern bei und nach Vertragsabschluss regelmaessig braune Briefumschlaege uebern Tisch zu schieben.

Auch diese Sache haben wir ausfuehrlich durchdiskuiert und da gibt es ein paar Probleme, welche wir sehen, selbst wir uns mit dieser Sitte haetten abfinden koennen.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass es mal passieren kann, dass man der falschen Person einen braunen Briefumschlag rueberschiebt und dann dafuer ins Gefaengnis kommt, denn offiziell ist Korruption in Uganda natuerlich verboten. Oder jemand, der einem an den Hals will, kassiert seinen Umschlag und meldet ueber tausend Ecken und stellt einem ein Bein. Alles schon passiert in der Expat-Community.

Und falls man da Glueck hat und es einen selber nicht erwischt, kann es immer noch passieren, dass man einer falschen Person was rueberschiebt und dann will die richtige aber auch etwas haben, und das erhoeht die Betriebskosten. Auch sind wir beide nicht wirklich gut im Rueberschieben von braunen Briefumschlaegen, und alleine die Idee, dass wir soetwas dann regelmaessig machen muessten, hat uns dann zusaetzlich zu den Visarestriktionen von einer Firmengruendung abghalten.

Eigentlich schade, denn Uganda ist ein hochinteressantes Land und braucht Unternehmen und Unternehmer!

Es gab noch tausend andere Gruende und Abwaegungen, die alle letztendlich zur Entscheidung gefuehrt haben, dass ich nun heute bei miserablen, kalten Wetter in einem B&B in einer englischen Kuestenstadt sitze und auf mein zweites Jobinterview heute Nachmittag warte.