Ja nichts sagen, immer schoen mitschwimmen

Ich hoere hier von (Ex-)Kollegen, Freunden und Bekannten viele unglaubliche Geschichten aus dem Alltag und Arbeit, und manchmal frage ich an, ob ich eine bestimmte Geschichte in meinem Blog veroeffentlichen darf (selbstverstaendlich anonymisiert) oder, ob sie denn vielleicht nicht sogar selbst einen Artikel fuer meinen Blog schreiben moechten.

Einige wenige meiner bisherigen Artikel, auch wenn unter meinem Namen veroeffentlicht, sind eigentlich von Kollegen, wie beispielsweise:

Namen darf ich keine nennen und ich muss jeglichen Bezug rausnehmen, der in irgendeiner Weise auf die Quelle hinweist. Und ich muss auch die Artikel so umschreiben, dass es schliesslich wie mein Schreibstil aussieht.

Heute morgen hatte ich Besuch von einer engen Freundin (deren Namen, Nationalitaet und Job ich natuerlich hier nicht nennen darf – ich bin gerade am ueberlegen, ob die Nennung vom Geschlecht bereits zu viel ist?) und sie hat freundschaftlich kritisch zu meinem Blog reflektiert. Sie findet meinen Blog gut, aber leider waeren meine Artikel nicht konkret genug, und vor allem nicht genuegend konkrete Beispiele.

Sie hat natuerlich absolut recht, jedoch bin ich in einem Dilemma. Ich darf nichts konkret schreiben, weil ich dann Namen, Adressen und Telefonnummern mitveroeffentlichen muesste und das will ueberhaupt niemand. Die meisten sind ja schon nicht einmal bereit, dass ich ueberhaupt anonymisiert ueber einen speziellen Vorfall berichte. Falls ich dann doch die Erlaubnis bekomme anonymisiert zu schreiben, dann schreibe ich einen Artikel ueber “eine Organisation” in einer “Stadt in Uganda” in einem “internationalen Projekt”, und das ist natuerlich ueberhaupt nicht konkret. Ich muss jeglichen Bezug herausnehmen, der nur irgendwie Rueckschluesse auf das Projekt oder Person zulassen koennte.

Auch meine Freudin wuerde schon ganz gerne ueber EZ schreiben, denn auch sie findet viele der Geschichten einfach unerhoert, aber sie darf nicht. Ihr Mann koennte den Job verlieren. Ausserdem haette sie auch unterschrieben, dass sie keine Interna veroeffentlicht.

Wie weit gehen Interna? Was sind Interna?

Ist die Beschreibung einer Person, die sich beschwert, dass man in Uganda nur schwer kubanische Zigarren zu kaufen bekommt und er sich seine Streichhoelzer aus Kenia importieren lassen muss, um seine Zigarren mit Stil anzuenden zu koennen und daher unter seinem Leben in Uganda leidet, bereits zu viel Interna?

Darf ich darueber schreiben, wegen was ich gegen meine Entsendeorganisation in Deutschland Klage erhoben habe? Darf ich schreiben, dass ich ueberhaupt Klage erhoben habe? Darf ich schreiben, dass meine Entsendeorganisation mir mehr als einmal gesagt hat, dass sie in Uganda nicht zur Korruptionsbekaempfung, sondern fuer Entwicklungshilfe da sei?

Wie konkret darf ich schreiben? Und vor allem beschaeftigt mich die Frage, wieviel Unterstuetzung bekomme ich im Haertefall?

Ich klage in Deutschland gegen meine Entsendeorganisation und ich kenne persoenlich wenigstens 6 Leute, die unter aehnlichen Umstaenden aus der selben Organsiation, und aus dem selben Prohekt, rausgeflogen sind bzw. von selbst das Weite gesucht haben. Alle beobachten meinen Fall mit Spannung, denn ich bin die erste, die in Deutschland dafuer vor Gericht gegangen ist. Alle 6 Leute „bedauern“, dass sie das nicht auch gemacht haben.

Seit 1977 (!) gab es keinen aehnlichen Fall mehr dazu vor den deutschen Gerichten. Und mein Fall ist eigentlich nur ganz entfernt aehnlich. Er ist hochpolitisch, es geht um Verschwendung deutscher Steuergelder, Unterstuetzung von Korruption durch Nichtstun und vor allem um die Frage der Anwendbarkeit deutscher Arbeitsschutzgesetze auf Entwicklungshelfer (Man wird als Deutsche von einer deutschen Organisation ins Ausland entsendet und wenn es dann Probleme mit der Entsendeorganisation gibt, sind deutsche Gesetze nicht anwendbar, aber auch nicht die ugandischen – Ich frage mich, welche dann? – Es ist eigenartigerweise ein Praesendenzfall vor deutschen Gerichten, obwohl ich weiss, dass mein Fall kein Einzelfall ist); und ich habe auch endlich einen (wirklich guten) Rechtsanwalt gefunden, der bereit ist, mit diesem Fall gegebenfalls bis zum Bundesverfassungsgericht zu gehen.

Ausser, dass ich den ganzen Spass persoenlich finanzieren muss, brauchte ich fuer meine zweite Instanz Zeugen. 6 Leute kenne ich persoenlich, die dazu was auszusagen haetten; nur einer hat sich bereit erklaert.

Irgendwie kein Wunder, dass ich in den letzten Monaten irgendwie die Lust verloren habe, ueber Entwicklungsdienst und die persoenlichen Herausforderungen und Probleme darin zu schreiben und es daher in meinem Blog so sehr still geworden ist. Es macht einfach keinen Spass, allein zu sein, obwohl man Probleme auf den Tisch legt und bespricht, die eigentlich die meisten haben.

Ja nichts sagen, immer schoen mitschwimmen, und vor allem, ja nicht auffallen. Das ist hier die Devise.

Mein Gespraech mit meiner Freundin heute morgen hat mir aber wieder Mut gegeben und ihre Bemerkungen zu meinen Artikeln werde ich nun verarbeiten und beruecksichtigen. Sie hat bestaetigt, dass mein Blog gelesen wird, dass Leute zu den Themen diskutieren, und sich damit auseinandersetzen. So werde ich also wohl wieder anfangen, etwas mehr ueber Entwicklungshilfe zu schreiben.