Leben als Expatriat

Posted: 7th Januar 2010 by Bellusci in Ignorance / Ignoranz, TOP 10

Kampala, Shoprite shopping centre

Fruehstuecken im Serena Hotel, private Flugstunden und Pilotenschein, geraeumige Villas mit Hausmaedchen, Gaertner und Wachpersonal, Gartenparties mit Livemusik und pompoesen Banketts, Safaris an Wochenenden…
Einen Pilotenschein habe ich noch nicht gemacht, aber alles andere ist Teil meines Expatriat-Daseins in Uganda! Wir darben hier wirklich! “Schmerzensgeld” wird unser Unterhaltsgeld und dekadente Lebensweise von manchen Kollegen genannt. Ob die das wirklich ernst meinen? Schmerzensgeld fuer was?

Ein Job Montag bis Freitag von 8:30 Uhr bis 17:00 Uhr, Wochenenden garantiert frei und keine wirkliche Anwesenheitspflicht waehrend der formellen Arbeitszeit? Ungenaue Arbeitsbeschreibungen, die sowieso keiner kontrollieren kann, weil man entweder soweit weg vom Headoffice ist oder in einer schwach gemanagten Partnerorganisation?

30 Tage Urlaubsanspruch plus schoene lange Dienstreisen mit Uebernachtungen in gehobenen Hotels, durch ganz Uganda, in die schoensten Gegenden und wenn man etwas Glueck hat, auch mal ein Trip nach Bangkok oder Suedafrika? Vollpension, versteht sich! Viele Entwicklungsorganisationen geben nicht nur ein Auto dazu, sie stellen auch noch einen Fahrer.

Kampala, premises in Muyenga

Klingt das nach Schmerzen?

Natuerlich sieht das jeder anders und manch einer “leidet” hier wirklich in der Fremde und im Job; natuerlich ist das Geld, was man hier verdient, keine wirklich grosse Kohle, aber gut vergleichbar mit dem Geld, was man auch in der Heimat verdienen wuerde (fuer manch einen sogar mehr) und auf jeden Fall das Vielfache eines einheimischen Professionals. So habe ich das 5fache unseres Geschaeftsfuehrers, welcher zwar vielleicht nicht so qualifiziert ist und vielleicht auch nicht so effektiv, aber ist das gerechtfertigt? Gerechtfertigt durch das gesamte Land? Und wir wundern uns dann, dass dieser Geschaeftsfuehrer nach Jahren Zusammenarbeit mit Dutzenden „Entwicklungsberatern“, die sich hier alle paar Jahre die Tuerklinke in die Hand geben, nicht mehr so die richtige Motivation (Ownership) zeigt? Mal unterstellt, dass diese Position vielleicht falsch besetzt ist, aber es koennen doch nicht alle Positionen bei allen Partnerorganisation falsch besetzt sein, oder sehe ich das falsch? Ich hoere hier zu viele Beschwerden, von vielen Entwicklungsorganisationen ueber mangelnde Motivation und Ownership; Projekte, wo es keine diesbezueglichen Beschwerden gibt, gibt es nur sehr wenige.

Kampala, appartments in Muyenga

In England kannte ich die Ehefrau eines Flugzeugflottenbetreibers, sie arbeitete als Sozialarbeiterin; sie kam in ihrem superteuren Mercedes 2 oder 3 mal die Woche fuer ein paar Stunden, um verhaltensgestoerte Kinder zu beraten. Ich hatte mich da die ganzen Jahre gefragt, wie kann diese Frau, die in einem Riesenhaus mit Swimmingpool und Bediensteten wohnt, die niemals irgendwelche Geldprobleme hat (ausser, in welche Aktien sie investieren solle) auch nur ansatzweise die reellen Probleme der Kinder verstehen, die aus assozialen Haushalten kommen, wo Vergewaltigungen vielleicht an der Tagesordnung sind und niemals genug Geld vorhanden ist.

Nun bin ich in der selben Situation: Ich lebe wie ein Gott – tolles Haus mit Gaertner und Hausmaedchen; ein Luxus, unerreichbar fuer den normalen Ugander (ausser Praesidenten, Minister und anderen Neureichen). Wir sind gar nicht in der Lage alles Geld, welches ich und mein Mann gemeinsam verdienen, hier auszugeben. Es kommt bei uns nicht darauf an, ob wir 3mal oder 7mal die Woche in die poshesten Restaurants der Stadt ausgehen.

Kampala, Nsambia - here live our houskeepers and guards, as well as many of my Ugandan work mates

Vielleicht haben andere damit kein Problem, aber ich habe eins! Ich finde es schwierig, mein Leben zu leben (und zu geniessen), zuzuschauen, wie Ugander um mich herum straucheln und nicht zurechtkommen, die enorme Armut zu sehen und zu wissen, dass ich wahrscheinlich zur Erhoehung der Kluft zwischen Arm und Reich hier mit beitrage, wahrscheinlich auch zur Korruption, zu Kriegen und Gewalt – allein mit meinem Konsum, mit meiner Bereitschaft teurere Preise zu bezahlen und meiner Lebensweise.

Mir wird manchmal gesagt “..aber es ist doch bekannt, wie Expatriats leben…” – also mir war es nicht bekannt! Und ich weiss auch nicht, wie vielen Leuten, die nicht direkt mit Entwicklungshilfe zu tun haben, das auch so bekannt ist. Denn, wenn die Leute wuessten, wie wir hier leben und wie wir hier arbeiten, dann wuerde wahrscheinlich auch mal bei uns zu Hause in der Oeffentlichkeit diskutiert werden, was das alles soll und ob die ganzen vielen Hilfen auch wirklich dort ankommen, wo sie eigentlich hinsollen, naemlich beim Ugander.

Hier vor Ort diskutieren wir recht oft und offen ueber diese Zweischneidigkeit – untereinander, mit Freunden, mit Kollegen; weniger im offiziellen Rahmen – es gibt vereinzelt auch mal einen Artikel oder ein Buch dazu (siehe unter Links Entwicklungshilfe) – aber wann werden diese vielen Worte eine Veraenderung bewirken?

  1. Ali sagt:

    Nein, das ist im Leben nicht in Deutschland bekannt. Ich war immerhin ein halbes Jahr in Südafrika und habe nur eine leise Ahnung davon, wie Expats im Gegensatz zu den meisten Südafrikanern leben. Sicher liegt das zu einem großen Teil daran, dass ich sowieso sehr viel stärker Kontakt zur Mittelschicht hatte, weshalb die Unterschiede da nicht all zu groß waren. Wie mag das da wohl in Ländern wie in Uganda sein?