Ich bin eine von Millionen Menschen, die vom Vulkanausbruch auf Island betroffen sind; mein Flug ist storniert worden, so wie alle anderen Fluege in Europa und mein Leiden besteht nun vor allem darin, dass ich meinen Deutschlandurlaub auf ungewisse Zeit verlaengern werden muss und nicht weiss, wann und wie ich zurueck zu meinem Haus, Haushalt und Arbeit in Kampala zurueckkehren werde.
Im Gegensatz zu vielen anderen Expats, haben wir unsere Existenz in Deutschland komplett aufgegeben. Hier gibt es fuer uns keine Wohnung, keine Habe, keinen Haushalt, den wir einfach wieder aufleben lassen koennten. Unser gesamtes Eigentum befindet sich in Kampala, in den fuersorglichen Haenden unserer beiden Hausangestellten.
Der letzte Vulkanausbruch in Island dieser Groesse, so haben wir im Internet gelesen, war 1821 und dann hat es zwei Jahre gebrodelt und Asche wurde in die Luft gespuckt; allerdings gab es da noch keinen Flugverkehr. Andere Artikel diskutieren, dass das Ganze lediglich eine Hysterie sei. Ich weiss nicht, wem ich Glauben schenken soll und was ich glauben soll, aber Fakt ist, dass wir in Hamburg bis auf weiteres festsitzen; Jobs und Haushalt aber in Kampala sind.
Auch unsere Katze leidet. Seit unserem Urlaubsantritt vor drei Wochen, weint und weint sie ununterbrochen (so wird uns berichtet) und sucht das Grundstueck ununterbrochen nach uns ab oder wartet am Tor, dass wir wiederkommen. In unserem Gepaeck sind hunderte Katzenleckereien, um uns mit ihr wieder gutzustellen, die aber noch fuer eine Weile in Deutschland bleiben werden.
Wie lange werden Fluggesellschaften diesen wirtschaftlichen Ausfall verkraften koennen, welcher von keiner Versicherung dieser Welt abdeckt ist? Hoehere Gewalt; an act of god… Importe, Exporte, Post, Ersatzteillieferungen, Warenlieferungen… meine Fantasie reicht gar nicht aus, um mir das gesamte Ausmass vorzustellen. Wann wird die erste Airline Insolvenz anmelden?
Konferenzen koennen per Internet und Video erfolgen; das ist sowieso umweltvertraeglicher und wahrscheinlich sogar effektiver fuer die Wirtschaft. Aber was sonst noch alles an der Sperrung der europaeischen Luftraums mit dranhaengt, und wie sich unsere Welt veraendern wird, falls der europaeische Luftverkehr noch fuer Wochen/ Monate/ Jahre gesperrt bleiben sollte… Es ist unvorstellbar!
Wie lange werden unsere Firmen uns unsere Loehne weiterzahlen, wenn wir nicht irgendwann in absehbarer Zeit wieder zum Dienst antreten? Muessen wir jetzt unbezahlten Urlaub nehmen? Noch ist Wochenende, da haben alle frei, da passiert nichts; aber morgen, Montag, werden die vom Chaos Unbetroffenen wieder ihre Arbeit aufnehmen und ich erwarte, dass innerhalb nur weniger Tage ueber Millionen Schicksale entschieden werden wird. Aber wie und was?
Was passiert mit den Piloten, die im Augenblick nicht gebraucht werden? Mit den FlugbegleiterInnen? Mit den Logistikunternehmen, die Luftfracht verschicken? Der gesamten Industrie, die mit Luftfahrt irgendwie zusammenhaengt? Und welche Frage uns persoenlich natuerlich am meisten bewegt, was passiert mit all den Leuten, die sich, so wie wir, nun am falschen Ort, irgendwo in der Welt, befinden und am Montag ihre Jobs nicht antreten koennen, und das vielleicht auf nicht absehbare Zeit?
Vielleicht sollten wir uns ein Auto kaufen und so bald wie moeglich losfahren? Nach 2-3 Wochen sollten wir in Kampala ankommen; Kosten unklar und vor allem, woher das Geld nehmen fuer solch eine Odyssee? Waere sicherlich ein Abenteuer wert und vor allem habe ich schon immer davon getraeumt, mal mit einem Landrover quer durch Afrika zu fahren. Es waere allerdings etwas ungeplant und adhoc, aber vor allem eine Frage steht im Raum, wie finanzieren?
Kann eine Wirtschaft soetwas verkraften? Wie lange? Wie geht es weiter? Was passiert nun?
Ich hoffe nun, dass sich die Deutsche Flugsicherung im Ausmass getaeuscht und unnoetigerweise Panik gemacht hat und der Flugverkehr zu voreilig gestoppt wurde und in Wirklichkeit alles nicht so schlimm ist, so dass bald alles wieder seinen geregelten und gewohnten Gang gehen wird. Auch ist da ein anderer Strohhalm der Hoffnung: ich bete fuer baldigen Regen, der die Asche aus der Luft herauswaescht (wobei es gerade ungewoehnlich sonnig und schoen in Deutschland ist – ein echt zauberhafter Fruehling!).
Wenn Wissenschaft versagt oder nicht vefuegbar ist, eine greifbare Antwort nicht wirklich vorhanden, das eigene Verstaendnis zu limitiert, greife auch ich zum bewaehrtesten Hilfsmittel der Welt – zu einem Glas guten Wein im Glauben und in der Hoffnung, dass alles wieder gut wird!
Umgekehrt das selbe Problem: hier steckt ein Kollege fest, der bereits vor einer Woche zurueck in Deutschland sein wollte. Nach drei Monaten Ausland am Stueck. Und Schwiegermutter runzelt auch schon die Stirn, denn ihr Flug zurueck in die Heimat (aschefrei) geht ueber Amsterdam. Eine Zitterpartie.