"Experten" in Uganda

Kampala - solving transport problems

Diese Woche wurde ich vom Geschaeftsfuehrer meiner Partnerorganisation als “Spionin” bezeichnet. Dies geschah auf meine Anfrage, warum ich als “Technical Advisor” nicht mit einbezogen werde in die Verhandlungen, die gerade zwischen meiner ugandischen Partnerorganisation und einer internationalen grossen renomierten Stiftung stattfinden. Meine Aufgabe ist (dafuer wurde ich nach Uganda geholt), den ugandischen Partner in Finanzen, Vertraegen, Marketing und Fundraising zu beraten und jetzt, wo endlich mal ein grosser Deal auf dem Tisch liegt, werde ich nicht nur raus- sondern sogar ferngehalten. Am liebsten waere dem Partner, wenn ich mich ausschliesslich in meinem Buero aufhalten wuerde und von dort nur mal zum Hallo-Sagen rauskomme. Schadensminderung ist die Devise. Je weniger ich aktiv werde, desto besser.

„Du bist doch nur hier, um fuer deine Organisation zu spionieren. Alles, was wir hier machen, wird weitergemeldet und bei Euch besprochen. Du bist hier, um Eure eigenen Interessen durchzusetzen. Lass‘ uns das auf unsere eigene, ugandische Art machen.“ Naja, es zeugt ja schon mal von Vertrauen, dass mir soetwas ins Gesicht gesagt wird. Es zeugt auch vom Aufbruch der Ugander und Abschuetteln der Abhaengigkeit von Entwicklungsorganisationen.

Der Grund fuer diese Spannungen liegt in der Geschichte, ich kann und darf das nicht persoenlich nehmen. Meine Expat-Vorgaenger hier haben (zu) oft ihre eigenen Interessen durchgesetzt, ohne auf die Ugander Ruecksicht zu nehmen (manche wollten sich einfach „einen Namen“ machen, andere haben den Namen und Verbindungen der Organisation genutzt, um eigene Betriebe zu gruenden). Meine Stelle wurde dem Partner “aufgedrueckt”… In der offiziellen Version heisst es natuerlich, dass die Partnerorganisation meine Stelle “angefordert” hat. Saemtlicher Schriftverkehr ist im Namen meiner Partnerorganisation und auch unterzeichnet von der Partnerorganisation. Offizielle Pruefberichte begruenden den “Bedarf” ausfuehrlich.

Ich moechte an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass dieser Blog meinen eigenen Lernprozess aufzeigt. Ich verstehe bei weitem nicht alles und wahrscheinlich auch oftmals falsch.
Was mich bedenklich stimmt, ist, dass, was ich hier als Einzelfall erlebe, kein Einzelfall ist, dass viele Expats aehnliche Erfahrungen teilen. Schaetzungsweise wuerde ich sagen, dass mehr als die Haelfte der Expats im Lande von der jeweiligen Partnerorganisation nicht „gewollt“ sind; und ich lerne (fast) taeglich neue Leute, von anderen Organisationen, kennen, die das bestaetigen. Es ist absolut egal, ob die Leute in einer deutschen Organisation arbeiten, oder einer schweizerischen, einer amerikanischen oder einer englischen (die Aufzaehlung ist nicht vollstaendig – jedes Land, welches Entwicklungsdienst leistet, hat solche oder aehnliche Geschichten zu erzaehlen).

Kampala - it's a completely different world to ours

Was geht hier vor?
Aufgrund der schier unglaublichen Zahl an Entwicklungsorganisationen hier, ist es relativ einfach “technische” Unterstuetzung, d.h. Beratung, Fieldfacilitators, Training, zu erhalten. Entwicklungsorganisationen treten sich hier gegenseitig auf die Fuesse und viele wollen “multiplizieren”, was scheinbar mit “technischer” Unterstuetzung leichter geht (man schickt einen “Experten”, dieser gibt Lehrgaenge und man kann dann in Berichte schreiben, dass man 100, 200, 500 Leute “ausgebildet” hat).

Zuschuesse/ Geld zu bekommen ist weitaus schwieriger, vor allem “unkontrolliertes” Geld; aber mit den “Experten” kommt oft Bargeld, das haben die Ugander inzwischen geschnallt. Das heisst also, wenn man sich auf einen Berater einlaesst, kommt oftmals ein Fahrzeug mit (man hat dann also einen Fahrer und Transport), es kommen Zuschuesse fuer Computer, Telefon, Miete (man kann also damit sein Buero mitfinanzieren) und mit etwas Glueck, kommen auch ein paar Bargeldzuwendungen (fuer vom “Experten” angeschobene Projekte) durch die vermittelnde Organisation.

Man kann das Fahrzeug gut gebrauchen, auch die Bueroeinrichtung und Zuschuesse, aber auf den “Extperten” koennte man gerne verzichten, wenn das nur irgendwie gehen wuerde. Zumal der “Experte” nicht unbedingt auch wirklich immer ein “Experte” ist.

Das heisst, eine ugandische Organisation akzeptiert oftmals einen “Experten”, weil damit geldwerte Vorteile und Image verbunden sind, und nicht, weil man einen “Experten” fuer die Loesung irgendeines spezifischen Problems haben moechte.

Aus dem Blickwinkel von Entwicklungsorganisationen stellt sich Budgetfunding als enorm schwierig dar, nur schwer oder nicht kontrollierbar, Gelder verlieren sich im Nichts. Zugegebenrmassen fehlt es in Uganda auch an eigenen, ugandischen, gebildeten Leuten, die Unternehmen professionell leiten und daher ist Zuschussfinanzierung sehr ermuedend, da vielversprechende, gute Projekte fehlen, vor allem, welche eine ordentliche Buchhaltung haben und Zuschuesse transparent und nachvollziehbar abrechnen.

Daher ist das Schicken von “Experten” eine gute Loesung, weil da die Kontrollfunktion gewaehrleistet ist.
Was passiert nun im Detail?

Die ugandische Organisation braucht Geld und findet eine international Organisation, die Geld hat, aber nur unter der Bedingung, dass man auch einen “Experten” akzeptiert. Die ugandische Organisation will aber nur das Geld, also gibt es fuer den “Experten” weder eine Aufgabenbeschreibung, noch klare Erwartungen.
Der Entwicklungsorganisation bleibt nichts anderes uebrig, als aufgrund der vorhandenen Kenntnisse der ugandischen Organisation, eine Stelle auszuschreiben und der ugandischen Organisation mitzuteilen, wo man “Bedarf” sieht.

Die ugandische Organisation akzeptiert alles, weil es ja sowieso egal ist, man will ja eigentlich nur die Knete.
Der “Experte” kommt, hochmotiviert, mit klaren Zielen und stellt nach einer (kurzen) Weile fest, dass er/sie eigentlich hier gar nicht gerufen wurden. Schwierig, nicht? Auch wir Expats sind ja nur Menschen!
Manche kuendigen ihre Stellen und reisen zurueck in ihre Heimat, andere gruenden eigene Firmen, andere geniessen einfach ihren Auslandaufenthalt fuer die paar Jahre.

Kann man das als einen echten und guten Beitrag zu „Entwicklung“ bezeichnen? Ich weiss nicht wirklich.

Meine Strategie im Augenblick ist, “low” zu fahren, zu beobachten, zu reflektieren. So ist auch dieser Blog entstanden, damit ich nicht vergesse, was ich beobachte…