Frauen und Gender

Ugandan woman, Adjumani

In Deutschland war ich viele Jahre stolze Eigentuemerin eines Gewerbebetriebes; jung (unter 30) und weiblich. Nicht selten wurde ich gefragt, wo denn mein Seniorpartner ist oder mein Mann, wenn Verhandlungen anstanden, beispielsweise mit Stiftungen, Stadtverwaltung oder Banken. 2008, beim Auswahlgespraech mit der Entsendeorganisation in Deutschland wurde mir im Einzelinterview die Frage gestellt, warum mein Lebenslauf nicht „gender-sensitiv“ sei, denn dort stand, ich sei „Betriebswirt“ und nicht „Betriebswirtin“ und als vergangene Taetigkeit hatte ich angegeben „Geschaeftsfuehrer“ und nicht „Geschaeftsfuehrerin“.

Mein ganzes Leben lang habe ich damit gekaempft, mich als Frau in der deutschen Gesellschaft durchzusetzen (als Unternehmerin, fuer einen Sitz im Gemeinderat, …), trotz Gendergleichheit auf dem Papier. In hunderten Meetings habe ich ganz oft als einzige Frau unter Dutzenden Maennern gesessen. Und meine „falsche“ Wortwahl haette beinahe dazu gefuehrt, dass ich den Job in Uganda nicht bekommen haette. Das waere wahre Ironie gewesen! Ich bin ein gebranntes Kind, wenn es um das Thema Frauen und Gender geht. Selbst als Frau ist da viel falsch zu machen und es stehen tausende Fettnaepfchen bereit.

Ich habe gelernt, dass es oftmals nicht darauf ankommt, was auf dem Papier steht. Papier ist geduldig. Mein Leben findet aber nicht auf Papier statt, sondern in einem realen sozialen Umfeld, und damit muessen ich und andere Frauen zurechtkommen.

Wie steht es um Frauen und Gender in Uganda?

Ich selbst arbeite nicht in Gender, aber es ist ein „crosscutting“-Thema, d.h. dass wir bei allen Projekten Gender nie aus den Augen verlieren duerfen. Bei jedem Bericht muss kurz darauf Bezug genommen werden, vor allem, was da so erreicht wurde. Auch wenn Gender per Definition Mann und Frau umfasst, in der Praxis geht es ausschliesslich um Maedchen- und Frauenfoerderung.

Auszug aus einem Arbeitspapier:
„„Gender“ bezeichnet das sozial konstruierte Geschlechterverhaeltnis in einer bestimmten Kultur. Dieses basiert auf einer historisch gewachsenen Rollenverteilung zwischen Maennern und Frauen und dem durch Erziehung und Sozialisation gepraegten Rollenverständnis. Es bestimmt die Interessen, Beduerfnisse und Rechte von Maennern und Frauen, wird kulturell ueberliefert und unterliegt permanentem Wandel.

Frauen sind in Uganda haeufig benachteiligt; Armut und Konfliktsituation tragen dazu bei, ebenso wie eine stark hierarchische und kulturell eher konservativ orientierte Gesellschaftsstruktur. Gewalt gegen Frauen – auch Vergewaltigungen und Missbrauch – sind gaengig. Gewalt in der Ehe ebenfalls. Daher ist das Ziel insbesondere „Empowerment“ von Frauen.“

Selbstverstaendlich unterstuetze ich, dass Gleichbehandlung und Bildungschancen fuer Frauen garantiert sein sollten und dass politische Weichenstellung oftmals notwendig ist. Aber man kann alles, wirklich alles uebertreiben! In Deutschland ist Gender schoen auf dem Papier geschrieben und trotzdem nimmt das keiner Ernst und hier in Uganda, weil die Geldgeber darauf draengen, hat sich das Blatt inzwischen komplett gewendet.

Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Frauen am Steuer gesehen, wie hier in Uganda. Selten sitze ich in einem Meeting mit Ugandern, in welchem ich die einzige Frau bin (in Deutschland und in meiner eigenen Organisation, bei internen Meetings, kommt das schon recht oft vor). Kommt eine Frau als Vertreterin, egal was fuer einer grossen Organisation, wird niemals von Ugandern gefragt, ob sie denn die Kompetenz haette, die Verhandlungen zu fuehren. Insgesamt ist der Eindruck, dass im entwickelten Teil Ugandas Frauen eine erheblich bessere Position besitzen als in meiner Heimat.

Verkauefer in Kampala

Impact durch Entwicklungsorganisationen:

Dort, wo Entwicklungsorganisationen involviert sind (und das ist eine unueberschaubare Zahl an Organisationen) und wo Expats auf „Gender“ achten, ist mir aufgefallen, dass oftmals mehr Frauen als Maenner in einer Anstellung zu finden sind. So zaehlt meine ugandische Partnerorganisation beispielsweise von 13 Mitarbeitern nur 3 Maenner und ich kenne viele Organisationen mit aehnlichen ungleichen Verteilungen.

Letztes Jahr (2009) habe ich eine Umfrage an Berufsschulen gemacht und u.a. auch nach dem Geschlecht der Schueler gefragt. Ich war neu in Uganda und hatte diese Frage eigentlich nur als Warmmacher auf meinem Fragebogen und das fuer mich wirklich unerwartete Ergebnis waren ca. 50% mehr Maedchen als Jungen in Berufsschulen. Ich werde das Ergebnis auf jeden Fall noch dieses Jahr validieren.

Erklaerung dafuer koennte sein, dass die meisten Schulen von auslaendischen Donororganisationen abhaengen und die meisten Programme konzentrieren sich auf „valnurable children“, zu denen insbesondere Maedchen zaehlen. Wenn eine Berufsschule also einen neuen Jahrgang zusammenstellt, gehen alle Bewerbungen an verschiedene Organisationen mit Foerderanfragen. Jugendliche, die eine Foerderung zugesagt bekommen, duerfen bleiben, die anderen muessen entweder selbst die Schulgebuehren aufbringen oder bekommen halt keine Ausbildung. Das heisst, die als nicht „valnurable“ Klassifizierten haben geringere Bildungschancen, denn die Schulgebuehren sind heftig und die wenigsten koennen sich die leisten. Familien haben hier oftmals zwischen 7 und 9 Kindern und das Haushaltseinkommen reicht oftmals wirklich nur fuer die Ernaehrung, da ist Sponsorship der eigenen Kinder fuer Schulausbildung fast ausgeschlossen.

Das Endergebnis sind jede Menge besser ausgebildete Frauen, aber ob sie unbedingt alle intelligenter sind als diejenigen, die von Bildung aufgrund von Nichtqualifizierung systematisch ausgeschlossen werden. Wohin wird sich Uganda entwickeln, wenn Millionen gesunde Menschen, nur weil sie Maenner sind, geringere Bildungschancen haben als saemtliche „valnurable“ Schichten des Landes?

Ein Expat-Bekannter unterrichtet an einer Universitaet in Kampala Kameratechnik. Ich habe kuerzlich seine Klasse kennengelernt, 8 Maedchen von 10 Studenten.

Empowering von Frauen – das Schlagwort in Zusammenhang mit Gender!

Viele Berichte, insbesondere in Mikrofinanzen, zeigen auf, dass sich Frauengruppen besser entwickeln als Maennergruppen. Frauen sind oftmals die besseren Finanzmanager, aber das ist ja auch bei uns in Deutschland bekannt. Ich kenne viele Firmen, wo der Mann der Geschaeftsfuehrer ist und die Frau die Leiterin der Finanzen. Maenner sind mehr fuer strategische Dinge zu haben, die Frauen mehr fuers Detail. Warum das so ist, habe ich keine Ahnung; und es gibt sicherlich auch Maennern nicht das Recht, ueber Frauen zu bestimmen, aber ausschliesslich und nur Frauen zu foerdern, halte ich fuer ebenso verkehrt.

Ich frage mich, wo soll das hinfuehren? Was sind die Konsequenzen?
Bis heute existiert in keinem der Geberlaender ein natuerliches Gendergleichgewicht; mir ist kein Land in der entwickelten Welt bekannt, wo man auf Erfahrungen zurueckgreifen kann, wie sich eine Volkswirtschaft entwickelt, wenn Frauen eine fuehrende Rolle einnehmen. Afrika ist ein Kontinent fuer Experimente!

„Do-No-Harm“ ist ein anderes Schlagwort im Entwicklungsdienst, aber Gender in diesem Zusammenhang ist definitiv ein Tabu-Thema. Wehe dem, der nicht auf politische Korrektheit achtet. Frauenfoerderung ist wichtig und richtig und darf nicht hinterfragt werden. Amen!

Schlussbemerkung:
Jegliche Reflektion, Betrachtung und Einschaetzung eines Themas erfolgen immer von einem subjektiven Blickwinkel und reflektieren persoenliche Einstellungen und Lebenserfahrungen. Selbst der bewusste Versuch, objektiv zu sein, ist oftmals fast unmoeglich. Die eigene Subjektivitaet spielt bei jeder Einschaetzung eine grosse Rolle – selbsterfuellende Prophezeiungen, vorgefertigte Theorien, eigene Vorurteile und Wertvorstellungen – das alles beeinflusst Denken und Wahrnehmung; wenn ich etwas von einem bestimmten Winkel sehen moechte, dann nehme ich mittels meiner selektiven Wahrnehmung nur wahr, was zu meinem eigenen Weltbild passt. Beobachtungen, die nicht zu meinem Vorstellungsgebilde passen, schiebe ich als irrelevant zur Seite und Informationen und Argumente, welche meine Meinung aendern wuerden, lasse ich nicht an mich rankommen.