Deutsche Ignoranz

29.5.2009: Ich hatte heute eine Email von meinem Sohn. Er war beim Tropenarzt, um seine Impfungen zu bekommen, da er mich in Kampala besuchen kommt im Juli und der Arzt hat folgenden Schwachsinn von sich gegeben:
„Die dort ticken sowieso etwas anders, aber in Indien wo man halbwegs zählen kann, gehen schnell mal 30.000 Leute über die Klippen durch die Mücken.“
„Herr xxx — wenn Ihr Sohn in Kampala bleibt, ist die Gefahr sich mit Malaria zu infizieren gering… dort ist es den Malariamücken zu dreckig, um zu brüten.“

Es ist wirklich traurig, dass ein Mensch, den man als gebildet ansehen wuerde und der da ist, um Reisende fachkundig zu beraten, so wenig ueber Uganda weiss und sich dann auch noch anmasst, dazu eine Meinung abzugeben.

Also…
– Uganda versucht landesweit Primary Schulbildung durchzusetzen; noch ist es kein Gesetz, aber bald wird hier allgemeine Schulpflicht eingefuehrt
– Ab dem 4. Kind ist die Grundschulausbildung kostenlos, fuer die ersten 3 Kinder sind die Schulgebuehren bezahlbar; viele Schulen haben auslaendische Geldgeber
– Schulausbildung wird allgemein hoch geschaetzt, und wenn es sich ermeckern laesst (wenn man also nicht zu weit von einer Schule wegwohnt, oder nicht gerade in einem Rebellengebiet), werden die Kinder auch zur Schule geschickt
– „Halbwegs zeahlen“ koennen hier alle!!!!, manche koennen es sogar wirklich gut
– Viele Einheimische sprechen mindestens 2 Sprachen fliessend (Englisch und die eigene Treibessprache), ofmals sprechen bzw. verstehen sie auch noch andere Treibessprachen oder Ki-Swaheli

Das alles heisst nicht, dass Uganda „entwickelt“ ist und alles reibungslos laeuft, aber diesen Schwachsinn von diesem Arzt muss man sich echt nicht antun…

Zum Thema Dreck…
Die Leute sind immer sauber und legen wert, gewaschen zu sein… Zu den Klamotten… Man kann genau sehen, wer hier ein Tourist ist und wer schon eine Weile hier lebt… In den ersten Tagen tragen Touristen ausgewaschene Hosen, vermuttelte T-Shirts, haben ungepfkegte Haare… bereits nach kurzer Zeit ist der Kollektivdruck durch die Ugander zu hoch… und dann traegt man schoene Roecke, nette Blusen, huebsche Kleider (so, wie man in Deutschland nur ins Konzert gehen wuerde)… und so sieht man hier die Mehrheit der Ugander rumlaufen, 24 Stunden!

Klar gibt es hier Slums, der Durchschnittslohn eines Arbeiters betraegt 120.000 UGX, was ca. 40 EUR sind. Oftmals muss das Geld dann 5-6 Leute ernaehren, da kann man sich nicht viel Schnickschnack leisten, aber die Huetten sind picopelo sauber, selbst die Schotterpisten werden gekehrt. Falls jemand Interesse fuer Pflanzen vorm Haus hat, dann findet man diese natuerlich nicht in huebschen Blumentoepfen an den fenstern, sondern in alten Blechdosen oder Plastikflaschen, aber dreckig ist es hier nicht!!!!

Und was es hier gibt, was ich nie im Leben erwartet haette, nach all den ueberheblichen Informationen, die man in Europa so von Afrika bekommt…

– Hier gibt es ein Pfandsystem auf Flaschen
– Es werden so gut wie keine Dosen verkauft, und wenn, dann zu Preisen, dass man lieber eine Pfandflasche kauft
– Arbeitsbeginn puenktlich 8:00 Uhr, und alle sind auch puenktlich da
– Ganz viele Frauen am Steuer
– Und eindeutig mehr Frauen als in Deutschland in Fuehrungspositionen

Klar gibt es hier Probleme wie:
– Nur 25% aller Kinder koennen aus Kostengruenden mit einer Schul- oder Berufsausbildung nach der Grundschule fortsetzen
– Im Norden ist zwar seit 2 Jahren kein Buergerkrieg mehr, aber es sind immer noch ein paar Rebellen im Busch, die Angst ist immer noch da und die Infrastruktur nach 15 Jahren Krieg entsprechend zerstoert
– Das Strassensystem ist eine Katastrophe! Bis auf ganz wenige Strassen, sind alles Schotterpisten und von den wenigen asphaltierten Strassen haben ueber 50% riesige Schlagloecher, in denen man nach einem Regen baden gehen kann… Aber Schlagloecher sind kein Dreck!!!
– Grosse Teile des Landes haben kaum Elektrizitaetsversorgung. Uganda hat nur einen Staudamm mit einem Elektrizitaetswerk und dieses liefert nicht genuegend Strom fuer das ganze Land
– Die Mehrheit der Bevoelkerung ist arm, kann sich gerade so ernaehren und sobald irgendeine ungeplante Ausgabe kommt, wie Krankheit, gibt es Probleme, diese zu finanzieren

Aber… es wird kaum gebettelt, bis auf sehr wenige male, werde ich normalerweise nicht auf der Strasse angesprochen und um Geld gebeten. Auch habe ich bisher noch niemanden hier zum Essen einladen „muessen“; falls wir in der Mittagspause ausgehen, gehen wir natuerlich „lokal“ und nicht europaeisch, dort kriegt man ein Mittagessen fuer 1.500 bis 2.500 UGX (0,50 – 0,80 EUR) und das wird von meinen Kollegen selbst gezahlt. Keiner meiner Kollegen oder Freunde von Kollegen oder Hauspersonal kam bisher auf uns zu, um fuer Geld fuer Verwandte zu bitten. Natuerlich ist es selbstverstaendlich, wenn jemand von unserem Hauspersonal krank ist, dass wir die Arztrechnung tragen, oder, wenn wir Ugander zu uns nach Hause zum Essen einladen, dass wir deren Fahrtkosten uebernehmen. Da brauchen sie uns gar nicht darum zu bitten, es ist doch klar, dass, wenn wir denen zusaetzliche Ausgaben verursachen, wir nicht erwarten koennen, dass sie diese von ihrer sowieso kaum vorhandenen Haushaltskasse zahlen.

Bezueglich Arbeitseinstellung, Gruendlichkeit/ Ausfuehrung der Arbeit und auch Sauberkeit des Arbeitsplatzes gibt es hier solche und solche Ugander… Aber es gibt da auch solche und solche Deutsche, ich kann mich nicht erinnern, dass wir in der Muehle jemals ein Personalteam hatten, die 100% in allem waren…

Ich habe festgestellt, dass Personal sich sehr auf den Chef einspielt und sich riesige Muehe gibt, es ihm/ ihr recht zu machen. Wenn der Chef also selbst eine gute Arbeitseinstellung hat, gruendlich in seiner Arbeit ist und sauber, dann sind das auch seine/ ihre Angestellten (fast alle!). Falls der Chef aber eine Schlampe ist, faul und unsauber, dann so das Personal… da kann der Chef rummaulen, sowiel er will… Ugander scheinen den Chef im Benehmen „zu kopieren“.

So, das war’s fuer heute. Bald moechte ich vielleicht ein paar Worte zum Verhaeltnis der Einheimischen zu Europaern und Asiaten verlieren. Europaer sind enorm hoch angesehen, gleich nach Gott (fuer alle, die christlich sind und diese Email erhalten; Entschuldigung fuer diesen Vergleich), Asiaten werden nicht wirklich gemocht. Hat historische Hintergruende, aber auch kulturelle. Habe von vielen Seiten bereits gehoert, dass Firmen, sobald sie einen Weissen fuer sich gewinnen koennen, einen enormen Kunden- und Umsatzzuwachs verzeichnen. Sie gelten sofort als serioeser und stabiler… aber mehr dazu spaeter.

Originaler Text – Email an Freunde am 29.5.2009