Posing for a 'muzungu'

In Uganda gibt es so um die 850 diverse Entwicklungshilfeorganisationen, aus vielleicht 50 Laendern dieser Welt; manche sind Privatinitiativen, jedoch die meisten sind weltweit agierende internationale Organisationen, wie Welthungerhilfe, WorldVision, USAID, Save the Children, um nur ein paar zu nennen.

Ich kenne einen Ugander, der davon traeumt, eine Organisation ins Leben zu rufen, die sich „Independent Funds Management Consultants“ nennen soll. Eine rein ugandische Organisation, die Autraege von den internationalen Entwicklungsorganisationen annimmt, um die Effektivitaet derer Projekte vor Ort zu pruefen und zu dokumentieren; um den Headquarters entsprechende (unabhaengige) Berichte und Studien zu liefern.

Mein ugandischer Freund hat in etlichen Entwicklungshilfeprojekten gearbeitet, in welchen er die Effektivitaet der eingesetzten Gelder in Zweifel zieht; Projekte, die an Ugandern vorbei entwickelt haben. Er moechte Headquarters von Entwicklungsorganisationen und Regierungen der entwickelten Welt mit sachlichen, objektiven Studien beliefern, wieviel der eingesetzten Ressourcen bei Ugandern wirklich ankommen. Er wuerde gerne Dokumentationen erstellen, wie Projekte lokal aufgenommen werden und welchen entwicklungspolitischen Beitrag sie leisten.

Ich habe diese Idee befreundeten Expats erzaehlt. Wir finden die Idee witzig: eine unabhaengige ugandische Organisation, die internationalen Geldgebern, vor allem deren lokalen Durchfuehrungsgesellschaften und Bueroes, auf die Finger schaut. Ugander, die in die regionalen Landesbueros kommen, Expats und Mitarbeiter befragen, sich finanzielle Unterlagen zeigen lassen, zu Projektplaetzen hinausfahren, mit Distriktverwaltungen reden, mit den lokalen Projekttraegern und dann an die Hauptverwaltungen komplexe, professionelle Wirkungsberichte liefern.

Fraglich jedoch ist, ob internationale Organisationen ueberhaupt an der Beantwortung solcher Fragen interessiert sind; ob die Headquarters in aller Herrenlaender wirklich wissen wollen, wie ihre Mittel hier eingesetzt werden oder es eigentlich vorziehen, das nicht so genau zu wissen. Ob sich die internationale Entwicklungshilfe darauf einlassen wird? Ob mein Freund Auftraggeber findet?

Ich finde die Idee meines ugandischen Freundes genial. Projekte der Entwicklungshilfe aus ugandischer Sicht zu untersuchen. Super Idee!

  1. Volker Seitz sagt:

    850 ausländische Entwicklungshilfeorganisationen in Uganda sind vermutlich ein Rekord. In der Tat müßte eine einheimische Organisation, die Wirkungen von „Hilfe“ messen. Aber welche Institution möchte wissen, ob die Bedürftigen erreicht werden, ob die Selbsthilfekräfte gestärkt wurden und ob die Hilfe damit bald überflüssig wird?

    Was würde eine Prüfung der Projekte nach meinen Erfahrungen ergeben?
    1. Dass die indirekten Kosten, die in Zusammenhang mit solchen Hilfen stehen oft im Bereich von 25 bis 50% liegen und den Institutionen allerlei Infrastruktur, Verwaltungsstrukturen, Reise- und Seminarkosten ermöglichen.
    2. Dass der Erfolg immer noch quantitativ gemessen wird, in erster Linie die Quantität der eingebrachten Euro, Dollars oder Yen.
    3. Dass eine ehrliche Debatte über Afrika und die Erfolge und Misserfolge bisheriger Entwicklungszusammenarbeit nicht gewünscht ist. Warum auch? Es ist ein Geschäft und es sind Arbeitsplätze.
    4. Dass Entwicklungshilfe deshalb vor allem den Helfern nützt. Rund um die Ärmsten hat sich in den letzten Jahren ein großes Netzwerk aus Hilfsorganisationen gespannt. Es geht nicht darum, dass die weißen Helfer nicht effektiv arbeiten, aber alle verwechseln das Gute mit der guten Absicht, denn es würde sich herausstellen, dass sie nach ihrem Weggang nur wenig vorzuweisen haben.
    5. Dass mehr Hilfe allenfalls das Chaos verstärkt, wenn die Eliten sich nicht verantwortlich verhalten.
    6. Dass Wohltätigkeit nicht an die Wurzeln der Armut geht. Deren Ursache ist die rechtliche Diskriminierung einer Bevölkerungsmehrheit und dass die Eliten nicht erkennen wollen, dass jedes Problem in Afrika direkt oder indirekt mit mangelnder Bildung zusammenhängt.
    Volker Seitz

    • bellusci sagt:

      Lieber Herr Seitz, schoen, Sie wieder zurueck zu haben… Zum Stichpunkt ‚Bildung‘:

      Nehmen wir das gegenwaertige Weltwaerts Programm, welches 2008 angelaufen ist – Deutschland’s Ziel: 100.000 junge, zielstrebige, intelligente deutsche Voluntaere innerhalb der naechsten 10 Jahre ins nichtentwickelte Ausland fuer ein Jahr zu schicken. Super Idee, Super Aktion! Bringt jede Menge Lebenserfahrung zurueck nach Deutschland.

      Aber warum nicht reziprok? Warum nicht im Gegenzug 100.000 intelligente, gebildete, zielstrebige junge Leute aus Entwicklungslaendern nach Deutschland? Selbst die Haelfte wuerde zu einer Entwicklung und Erhoehung der Bildung in Entwicklungslaendern beitragen. Ich bin mir sicher, dass fast jeder deutsche Haushalt, der sein Kind rausschickt, bereit waere, im Gegenzug jemanden aus einem Entwicklungsland aufzunehmen.

      Es kann mir keiner erzaehlen, dass niemand diese Idee hatte, und dass sich Deutschland das nicht leisten koenne. Kein Interesse, meine ich.

  2. Allein, dass es in Uganda 850 Hilfsorganisationen sind, lässt erkennen, dass es sich um ein Business handelt, dessen Hauptanliegen weniger die Hilfe sein dürfte, als vielmehr das Geschäft damit.
    Und: So gut die Idee Ihres Freundes, den Helfern auf die Finger zu schauen, so naiv ist sie leider auch. Denn gerade Kontrolle und womöglich Kritik ist ja das Letzte, dass die berufsmäßigen Helfer mögen. Das habe ich als Reporter in Afrika vielfach erlebt. In dieser Haltung sehe ich einen der Gründe für das Scheitern von 50 Jahren Entwicklungshilfe. Sie ist aber eine erfolgreiche Strategie zur Sicherung der vielen gutbezahlten Arbeitsplätze in der Entwicklungshilfe-Industrie, und sie wird deshalb bestimmt nicht freiwillig aufgegeben.
    Höchste Zeit, dass unsere Parlamentarier endlich ehrliche Rechenschaft verlangen über die Verwendung der Entwicklungshilfe-Milliarden, statt sich weiter mit den von den Helfern selber bestellten Gefälligheits-Gutachten zu begnügen.
    Albrecht Heise

    • bellusci sagt:

      Lieber Herr Heise, danke fuer Ihren Beitrag. Ja, ich stimme zu, so schockierend es fuer manchen klingen mag, Entwicklungshilfe ist ein Business.

      Man muss sich die Frage stellen, warum machen die Industrienationen ueberhaupt Entwicklungshilfe? Was ist deren wirkliches Interesse? Eine Regierung wird und kann nur ihren politischen Kurs aendern, wenn die Interessen des Landes eine Kursaenderung erfordern. Welche Interessen Deutschlands wuerden fuer eine Kursaenderung sprechen? Warum sollten unsere Parlamentarier an ehrlicher Rechenschaft interessiert sein?

      Die 0,7% Geberziel sind meines Erachtens nach ein Marketingbudget. Wenn wir (also Deutschland), die 0,7 % nicht erreichen, besteht das Risiko, dass andere Laender ihre Nase vor uns im globalen Wettbewerb schieben. Und bei Marketingausgaben fragt man selbst in Unternehmen nicht genau nach der Wirkung einer einzelnen Massnahme, da kaum messbar – es kommt auf das Gesamtergebnis des Marketingmix an. Ein positives Ergebnis aus der Sicht des Werbenden, nicht (notwendigerweise) des Empfaengers!

      Neuester Trend: Firmen engagieren sich in ‚Entwicklungshilfe‘. Das letztes Jahr in Australien gestartete Online Mathelernprogramm von McDonalds sei keine Werbung: McDonald’s maths program ’not an ad‘ – Wer’s glaubt, wird seelig…