Ein Artikel aus der TAZ vom 27.3.2010 zu Brautpreis-Zahlungen in Uganda. Ugandische Frauen als Handelware: Irgendwo zwischen Mensch und Kuh

Es betrifft aber nicht nur Frauen. Auch unser neuer Hausmeister (maennlich) wird seinen ersten Monatslohn an seine Eltern abliefern muessen und es wird von ihm erwartet, dass er sein Leben lang seine Eltern finanziell unterstuetzt. Der Druck ist gross. Erwartungen sind Tradition.

Eine ugandische Familie hat im Durchschitt sieben Kinder. Polygamie bildet die Mehrheit aller Ehen. Ich kenne viele Maenner, die mehrere Frauen haben mit teilweise 18, 22 oder mehr Kindern. Es ist eine Art von Lotteriespiel. Je mehr Kinder, desto groesser (denkt man) ist die Chance, dass es eines „schafft“ und die Eltern in deren Alter finanziell unterstuetzen wird. Macht der grossen Zahlen. Viel hilft viel.

Brautpreis ist daher logisch, denn finanzielle Unterstuetzung kommt langfristig nur von den Soehnen, Meadchen sind an die neue Familie „verloren“, sobald sie heiraten.

Wir Europaer und/oder Entwicklungshelfer fragen uns natuerlich, ob jemand in der Lage sein kann, sieben oder mehr Kinder nicht nur irgendwie durchzubringen, sondern denen auch eine Ausbildung zu ermoeglichen, um die Wahrscheinlichkeit einer profitablen Rueckfuehrung dieser (fuer uns irrsinnig erscheinenden) Investition zu erhoehen. Aber ein Ugander denkt nicht notwendigerweise an solche Kleinigkeiten. In der Kultur, Tradition und erfahrenen Geschichte bedeuten viele Kinder bessere Chanchen. Full Stop!

Kinder sind hier Investitionen in die eigene Zukunft… An das Wohl (geschweige denn Selbstverwirklichung) der Kinder wird nicht notwendigerweise gedacht. Es geht um das eigene Wohl und damit um Diversity im Portfolio und Split von Risiko, was duch Mehrweiberei erreicht werden kann. Je mehr, desto besser.

Es ist eine total andere Denkweise, unbekannt fuer uns.

  1. kibobo sagt:

    abgesehen von anderer denkweise in jenen familien die tatsächlich noch so denken, ist auch die verhütung ein grosser punkt!
    klar, es gibt kondome, die gibts auch gratis je nach dem ob man am richtigen ort ist.
    aber es ist wie bei fast allem, jene bevölkerungsschichten für die es unserer ansicht nach am wichtigsten wäre besonders aufzupassen, die haben auch am meisten schwierigkeiten dazu zu kommen und es zu verstehen und anzuwenden.

    ich habe mit einigen frauen über pillen gesprochen. leider ist es gemäss ihren erzählungen so, dass in uganda zu erschwinglichen preisen oftmals nur bereits abgelaufene pillen, oder sonst schlechter qualität erhältlich sind. die folge davon ist, dass die frau selber, oder die kinder schäden davon tragen. behinderte babies, unterentwickelte babies etc. persönlich kenne ich einen fall von einem baby das, so wird vermutet, wegen der hormonellen verhütung mit einem lebensgefährlich beschädigten darm geboren wurde.

    und polygamie ist längst nicht mehr so verbreitet wie früher. besonders bei den jungen, christlichen paaren kann man wenn, dann schon eher von fremdgehen/affairen sprechen so wie das auch in europa passiert.
    bei moslems polygamie meiner beobachtung nach noch eher verbreitet.
    bei der älteren generation habe ich alles gesehen. überzeugte monogamie und überzeugte polygamie bei beiden religionen.

    wahrscheinlich kennst du eher die (für mich) ältere generation? (wenn ich in einem anderen artikel richtig gelesen habe warst du gerade 16 als ich geboren wurde)

  2. Bellusci sagt:

    Danke fuer die Zuordnung in die „ältere Generation“… 🙂 Den Jungen gehoert die Welt! Ich will aber trotzdem auf Deinen Kommentar hier antworten und nicht schmollen.

    Ich habe beobachtet, dass es scheint, dass Polygamie, Anzahl der Kinder und Bildung Hand in Hand gehen, d.h. je besser die Bildung, desto weniger Ehefrauen und Kinder werden vorgewiessen. Das ist natuerlich eine rein empirische und persoenliche Beobachtung, und keinesfalls wissenschaftlich mit Zahlen oder Untersuchungen belegt.

    Da die Familien fuer eine Ausbildung enorm zusammenlegen und sparen, fuehrt das natuerlich zu einem enorm hohen Druck auf die eine Person, die in den (zweifelhaften) Genuss einer guten Ausbildung kommt, weil dann ganze Clans sich darauf verlassen, dass diese eine Person die Familie finanziell unterstuetzen wird.

    Ich habe in Kampala nach Ende meines EH-Vertrages in einem internationalen Unternehmen gearbeitet mit hoch qualifizierten und gebildeten Ugandern, die Loehne zwischen 800,000 UGX und 5 Mio UGX monatlich hatten. Von den 40 Ugandern dort, hatte vielleicht die Haelfte keine eigene Familie und Kinder, weil sie ihren Verdienst an ihre Familien in den Doerfern abdruecken mussten und sich dadurch keinen eigenen Haushalt leisten konnten. Und unter diesen 40 Ugandern, gab es eine Handvoll, die sich von ihren Familien ‚losgerissen‘ hatten, weil ihnen dieser emotionale Druck und finanziellen Forderungen zu viel wurden.

    Dieses ‚Losreissen“ heisst natuerlich, dass man sich im Dorf nicht mehr blicken lassen kann und von allen sozialen Kontakten abgeschnitten wird.